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Der unteleportierte Mann

Der unteleportierte Mann

Titel: Der unteleportierte Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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umher, verzweigten sich an Gabelungen und strömten aus seinem Gesichtsfeld, eifrig mit ihren Besorgungen beschäftigt (auch das war normal; es war ewig und überall, eine Grundwahrheit seines Lebens auf Terra). Leben und Bewegung: Aktivitäten von hingebungsvollem, beinahe besessenen Ernst; der Schwung der Stadt verriet ihm, daß das, was er unter sich sah, nicht als Antwort auf seine Musterung gehorsam mit einem plötzlichen Knall ins Sein getreten war. Das Leben hier war schon lange Zeit vor ihm im Gange gewesen. Es gab einfach zu viel davon, und viel zu viel kinetische Energie, als daß man sie als Projektion seiner eigenen Psyche hätte wegerklären können; das, was er sah, war keine Einbildung, keine Oszillation des von dem AHS-Soldaten in seinen Blutstrom injizierten LSDs.
Neben ihm tauchte flink die lohweiße Blondine auf, sagte sanft in sein Ohr: »Eine Tasse heißen Syn-Kaf?« Sie zögerte. Immer noch benommen, schaffte Rachmael es nicht, zu ant- worten; er hörte sie, aber seine Verwirrtheit erstickte sogar eine reflexartige Antwort. »Danach geht es Ihnen bestimmt besser«, fuhr das Mädchen nach einiger Zeit fort. »Ich weiß, wie Sie sich fühlen; ich weiß sehr gut, was Sie im Augenblick durchmachen, weil ich mich noch daran erinnere, wie ich dasselbe durchgemacht habe, als ich mich zuerst hier fand. Ich dachte, ich sei verrückt geworden.« Dann tätschelte sie ihm den Arm. »Kom- men Sie. Wir gehen in die Küche.«
Er stellte fest, daß er vertrauensvoll ihre kleine, warme Hand nahm; sie geleitete ihn schweigend durch das Wohnzimmer mit den Leuten, die sich ganz auf das zu gottgleichen Proportionen vergrößerte Bild Omar Jones' auf dem Fernsehschirm konzen- trierten, und bald saßen er und das Mädchen einander an einem kleinen Tisch mit bunt verzierter Plastikplatte gegenüber. Sie lächelte ihm ermutigend zu; immer noch außerstande, zu sprechen, stellte er fest, wie er hoffnungsvoll zurücklä- chelte, ein Widerhall, der sich als Antwort auf ihre entspannte Freundlichkeit einstellte. Ihre Lebendigkeit, die Nähe ihrer dynamischen Kraft, ihre Körperwärme erweckten ihn geringfügig, aber entscheidend aus seiner schockbedingten Apathie. Endlich, zum ersten Mal, seit der LSD-Pfeil in ihn eingedrungen war, fühlte er sich wieder Kraft gewinnen; er fühlte sich lebendig.
Auf einmal bemerkte er eine Tasse Syn-Kaf in seiner Hand; er nippte daran, und während er das tat, versuchte er, sich gegen das lastende Gewicht der immer noch beträchtlichen Apathie, die ihn erfüllte, eine Bemerkung auszudenken, um seinen Dank auszudrücken. Es schien eine Million Jahre und alle verfügbare Energie zu erfordern, aber die Aufgabe richtete ihn auf: Was immer mit ihm geschah und wo immer in Gottes Namen er sein mochte, die Verheerungen des verstandesauslöschenden Halluzinogens waren auf keinen Fall schon wieder richtig aus seinem Körper heraus. Es konnte durchaus noch Tage, ja Wochen dauern, bis er vollständig frei davon war; darin hatte er sich längst stoisch ergeben.
»Danke«, brachte er am Ende heraus.
Das Mädchen erkundigte sich: »Was haben Sie erlebt?«
Stockend, mit gewissenhafter Sorgfalt, antwortete er: »Ich — habe einen LSD-Pfeil abgekriegt. Weiß nicht, wie lange ich von der Rolle war.« Tausende von Jahren, dachte er. Von den Tagen Roms bis zur Gegenwart. Eine Evolution über Jahrhunderte, und jede Stunde ein Jahr. Aber es hatte keinen Sinn, dem Mädchen das zu erklären. Wenn sie auf Terra gelebt hatte, war sie zweifellos — wie jeder andere bei der einen oder anderen Gelegenheit auch — irgendwann wenigstens einer Restdosis der Chemikalie ausgesetzt gewesen, die im Wasservorrat eines der großen Bevölkerungszentren zurückgeblieben war: das immer noch tödliche Erbe des 92er Krieges, das als so selbstver- ständlich hingenommen wurde, daß es zu einem Teil der natürlichen Umwelt geworden war, nicht erwünscht, aber still- schweigend ertragen.
»Ich fragte«, wiederholte das Mädchen mit ruhiger, beinahe professioneller Überredungsgabe, indem sie den Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit wieder auf sich und das, was sie fragte, ausrichtete, »was Sie erlebt haben. Was haben Sie gesehen? Besser, Sie erzählen es jetzt jemandem, bevor es verblaßt; später ist es sehr schwierig, sich daran zu erinnern.«
»Der Garnisonsstaat«, sagte er rauh. »Kasernen. Ich war
dort. Nicht lange; sie haben mich ziemlich schnell erwischt. Aber ich habe es gesehen.«
»Sonst noch etwas?« Das Mädchen wirkte

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