Der unteleportierte Mann
daß niemand umhin konnte, davon zu wissen, wenigstens niemand auf Terra. Aber das hier war nicht Terra; schon hatte das angenehme, gewohnte Milieu von Menschen hier in seiner Nähe die groteske Erscheinung des klebrigen Seetangschleims, der klumpig zusammengebacken das damp- fende, trocknende Zyklopengesicht überkrustet und dabei so erbärmlich gestunken hatte, in Fäulnis getaucht, weggewaschen und verblassen lassen: den Verfall zu nur noch von innerem Wasserdruck aufrechterhaltenem organischen Gewebe von etwas, das einmal menschlich gewesen oder doch wenigstens glaubhaft so erschienen war, selbst wenn es sich um einen Killerkommando-Söldner von Auf Hoffmanns Spuren handelte.
»Ja«, sagte er vorsichtig, und tief in dem dafür zuständigen Teil seines Denkapparates transportierte ein Leitungsstrang ein Warnsignal; irgendein Sensibilisierungsmechanismus regte sich und wurde sofort, nachhaltig wachsam. Er stellte seine Vorpostenpflicht auch nicht wieder ein; er würde in Bereit- schaft bleiben, bis gegenteilige Anweisungen kamen; Rachmaels Kontrolle über ihn war praktisch null. »Das war — und ist immer noch — der einzige wertvolle Aktivposten unserer Firma. Mit der Omphalos sind wir etwas, ohne sie sind wir nichts.« Mit äußerster Vorsicht musterte er die Gruppe von Menschen, die Kornkäfer, wie sie sich nannten, um festzustellen, ob irgendeiner von ihnen von dem erst vor so schmerzlich kurzer Zeit abgebrochenen Flug nach Fomalhaut Kenntnis zu haben schien. Keiner von ihnen zeigte ein Anzeichen dafür; keiner von ihnen äußerte sich dazu oder trug auch nur einen bedeutungsvollen Gesichtsausdruck zur Schau. Ihr gemeinsa- mer Mangel an Reaktion stürzte ihn von Sekunde zu Sekunde tiefer in ängstliche, jagende Verwirrung. Und er erlebte, so unheimlich und erschreckend wie bei jedem der früheren Male, eine unangekündigte Oszillation des Drogenzustands; er fühlte, wie sein Zeitsinn radikal fluktuierte und alles, alle Gegenstände und Personen im Raum, sich veränderte. Das LSD war, wenigstens für kurze Zeit, wieder zurückgekommen; das überraschte ihn nicht, aber es geschah zur falschen Zeit; darauf konnte er von allen Möglichkeiten in diesem fühlbar entscheidenden Augenblick gut verzichten.
»Wir erhalten fast keine Nachrichten von Terra«, sagte der beleibte Mann mit dem Zahnstocher, Hank Szantho, zu ihm. Die Stimme klang nahe, aber der Umriß des Mannes ... er hatte sich zu einer gespenstischen Farbcollage verworfen; die Strukturen seines Fleisches und seiner Kleider waren übertrieben und wurden jetzt schnell vollends grotesk, als sich der Lichtfaktor verdoppelte und dann erneut verdoppelte, bis Rachmael in einen verwaschenen Fleck erhitzten Metalls blickte, so schmelzflüssig und unheildrohend rot, daß er seinen Stuhl zurückschob, weg von der gleitenden, schlackigen Platte, die an die Stelle des Mannes getreten war; hinter ihr schnellte Hank Szantho auf und ab, hin und her, und sein zu einem Ballon aufgedunsener Kopf befand sich kapriziöserweise wie durch eine plötzliche Laune ein Stückchen abseits der Collage aus flammenförmigem Feuer, die gerade eben noch der Körper und die Kleidung und das Fleisch des Mannes gewesen war. Und doch hatte das Gesicht des Mannes, an Lebenskraft und Stofflichkeit vermindert, wie es jetzt war, keine Entstellung der Züge erfahren; es blieb die ruhige, ausgeglichene Miene eines etwas ungehobelten, aber liebenswerten, duldsamen, schwergewichtigen Menschen.
Scharfsinnig bemerkte das Mädchen mit den lohweißen Haaren, Sheila Quam, zu ihm: »Ich sehe Besorgnis in Ihren Augen, Mr. ben Applebaum. Haben Sie" Halluzinationen?« Zu den anderen sagte sie: »Ich glaube, die Droge schiebt sich wieder in seinen Gehirnmetabolismus; anscheinend ist sie bisher noch nicht ausgeschieden worden. Lassen Sie ihr Zeit. Trinken Sie Ihre Tasse Syn-Kaf.« Mitfühlend hielt sie sie hoch, zwischen seinen Blick und Hank Szanthos Stahlenkranz aus glühenden Farben; er schaffte es, seine Aufmerksamkeit darauf zu konzen- trieren, die Tasse auszumachen, sie entgegenzunehmen und daran zu nippen. »Warten Sie einfach ab; es geht schon wieder weg. Das tut es immer, und wir sind mit der Krankheit sehr genau vertraut, sowohl subjektiv in uns als auch objektiv bei den anderen. Wir helfen uns gegenseitig.« Sie rückte ihren Stuhl dichter heran, um sich neben ihn zu setzen; selbst in seinem Zustand bemerkte er das und darüber hinaus die Tatsache, daß dieses oberflächlich gesehen unbedeutende
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