Der Untergang
beendet.
In der Kelleranlage unter der Neuen Reichskanzlei befanden sich die Quartiere der Entourage Hitlers: seines mächtigen Sekretärs Martin Bormann und des letzten Generalstabschefs Hans Krebs mitsamt seiner Adjutantur, des Generals Burgdorf und des Chefpiloten Hitlers, General Hans Baur, des SSGruppenführers Hermann Fegelein, der als Himmlers Vertreter im Führerhauptquartier diente, und ungezählter anderer Offiziere bis hin zu Hitlers Sekretärinnen, den Wachmannschaften, Ordonnanzen, Funkern, Karten Zeichnern und weiterem Personal. Ein Teil der Räume war als Notlazarett eingerichtet, ein anderer als Zufluchtsstätte für Bombengeschädigte, Schwangere und rund zweihundert Kinder; ihre Zahl stieg Tag für Tag und führte bald zu einer unerträglichen Überfüllung.
Mit dem »Führerbunker« war der sogenannte »Vorbunker« durch eine in die Tiefe führende Wendeltreppe verbunden. Die Abmessungen zumal der Betondecke sind nicht überliefert. Doch da die Sohle mit der zwei Meter starken Fundamentplatte rund zwölf Meter unter dem Gartenplateau lag und die nahezu drei Meter hohen Zwischentrakte mit den Versorgungsvorrichtungen zu berücksichtigen sind, dürfte die verschiedentlich genannte Deckenstärke von knapp vier Metern zutreffen. In einem unvergeßlichen Wort hat Konrad Heiden, der erste Hitlerbiograph, bereits Anfang der dreißiger Jahre das innerste Wesen des »Führers« samt seiner Bewegung, die Mischung aus Pathos, Großtuerei und Aggressivität, als »Prahlereien auf der Flucht« beschrieben. Jetzt, mit dem Rückzug Hitlers in den Tiefbunker und den Siegesparolen, die er von dort ausgab, kam die vielfach als widersinnig empfundene Beobachtung zur Deckung mit der Wirklichkeit.
Hitler mit seinem allmächtigen Sekretär Martin Bormann im Jahre 1943.
Der Führerbunker umfaßte annähernd zwanzig kleine, karg möblierte Räume, eine Ausnahme bildete lediglich der Korridor vor der privaten Zimmerfolge Hitlers, der mit einigen Gemälden, einer Polsterbank und ein paar alten Sesseln ausgestattet war. Daneben befand sich der Konferenzraum, in dem die Lagebesprechungen stattfanden, und es vermittelt einen Eindruck von der herrschenden Enge, daß sich in dem etwa vierzehn Quadratmeter großen Geviert mehrmals täglich und über viele Stunden bis zu zwanzig Personen um den Kartentisch drängten.
Auch die beiden Wohnräume Hitlers waren spärlich eingerichtet. Über dem Sofa hing ein Stilleben holländischer Herkunft und über dem Schreibtisch, in ovalem Rahmen, ein Porträt Friedrichs des Großen von Anton Graff, vor dem er mitunter in brütender Absence saß, als halte er stumme Zwiesprache mit dem König. Am Fußende des Bettes stand der Tresor, in dem Hitler seine persönlichen Papiere aufbewahrte, und in einem Winkel, wie schon im Hauptquartier von Rastenburg, eine Sauerstoff-Flasche, die ihm die unablässig quälende Sorge nahm, er könne irgendwann nicht genug Luft bekommen, zumal bei einem Versagen der Dieselmaschinen, die den Bunker mit Licht, Wärme und frischer Luft versorgten.
An der Decke jedes Raumes waren nackte Glühbirnen angebracht, die ein kaltes Licht auf die Gesichter warfen und die Gespensterwelt noch spürbarer machten, in der sie alle sich bewegten. Als in den Tagen des nahenden Endes gelegentlich das Wasser ausfiel, verbreitete sich insbesondere vom Vorbunker her ein kaum erträglicher Gestank, in dem sich die Dämpfe der unausgesetzt surrenden Dieselaggregate, beißender Uringeruch und menschliche Ausdünstungen peinigend mischten. Auf manchen Verbindungsgängen zum Tiefbunker hin standen ölige Pfützen, und eine Zeitlang mußte das Trinkwasser rationiert werden. Mehrere Zeugen haben berichtet, wie sich die Atmosphäre aus Enge, Beton und künstlichem Licht bedrückend auf die Gemüter legte, und Goebbels vertraute seinem Tagebuch an, er meide die Räume nach Möglichkeit, um nicht der »desolaten Stimmung« anheimzufallen. Nicht ohne triftige Gründe ist folglich auch die Überlegung, daß die unterweltlich entrückte Szenerie ihren Teil zu den irrealen Beschlüssen beigetragen hat, in denen sich Geisterarmeen zu Angriffsoperationen formierten, die niemals stattfanden, und Umfassungsschlachten eröffneten, die einzig der Phantasie entstammten.
Am auffälligsten schien Hitler selber vom Höhlendasein in zehn Meter Tiefe mitgenommen. Seine seit Jahren schon teigige Haut und die letzthin aufgedunsenen Gesichtszüge samt den dicken, ins Schwärzliche
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