Der Untergang der Götter - Die Rückkehr (German Edition)
Schließlich fasste sie einen Entschluss und betrat ohne zu klopfen das Zimmer ihres Vaters.
»Linan!«, begrüßte er sie überrascht. »Ich dachte, du wärst schon lange zu Bett gegangen.«
Linan lachte ironisch, doch sie wurde gleich wieder ernst als sie sein abgezehrtes, zutiefst erschöpftes Gesicht bemerkte. »Du rennst auf und ab wie ein gejagtes Tier, Vater. Denkst du wirklich, ich könnte da schlafen, so als wäre gar nichts geschehen?«
Czenons Gesicht wurde betroffen. »Es tut mir Leid, dass ich dich gestört habe. Ich ...«
Linan unterbrach ihn mit einer ärgerlichen Geste. »Das ist es nicht, Vater, und das weißt du auch.« Sie nahm tief Luft. »Ich will wissen, wer dieser merkwürdige Fremde ist, und was er von dir will!«
»Was er von mir will? Wie kommst du darauf, dass er etwas von mir möchte?«
Wieder winkte Linan ab, dieses Mal noch verärgerter als zuvor. »Versuche nicht, mich zu täuschen, Vater, ich bin kein kleines Kind mehr! Ich habe gesehen, wie du auf sein Erscheinen reagiert hast, du musst ihn kennen. Und er sah nicht so aus, als würde er nur um eurer alten Zeiten willen vorbei schauen. Ich glaube nicht einmal, dass er aus Boram stammt!«
Das Feuer, das in ihren Augen loderte, irritierte Czenon, der seine Tochter kaum wiedererkannte.
»Ich bin müde, Linan, lass uns morgen ...«
»Nein, wir werden jetzt darüber sprechen!«, unterbrach Linan ihren Vater wütend. Sie war keinesfalls gewillt, einen Rückzieher zu machen, nicht nachdem sie so lange auf ihn gewartet hatte.
»Wer ist also dieser Fremde, Vater?«
Ihre Worte schnitten wie ein Messer in Czenons Verstand. Müde ließ er sich in einen Stuhl fallen und wirkte plötzlich wie ein alter, gebrochener Mann.
Der Ärger, der eben noch in Linan wie ein wilder Sturm getobt hatte, machte übergangslos tiefer Sorge Platz. Sorge um ihren Vater, der mit einem Male so zerbrechlich wirkte.
»Du hast Recht, Linan«, begann er nach einer Weile, »ich kenne ihn tatsächlich.« Er seufzte. »Ich kann dir jedoch nicht sagen, wer er wirklich ist.«
Linan wollte wieder aufbegehren, aber dieses Mal war es Czenon, der mahnend die Hände hob.
»Nein, Linan, das kann ich dir wirklich nicht sagen, gleichgültig wie sehr du mich auch bedrängen magst. Das würde uns in allerhöchste Gefahr bringen. Ich weiß, dass du das nicht verstehst, aber ich bitte dich, mir einfach zu vertrauen.«
»Aber dann sage mir zumindest, wieso er hier ist!«, wollte Linan wissen und starrte ihren Vater fast flehentlich an. »Es muss doch einen Grund dafür geben, dass er ausgerechnet jetzt hier aufgetaucht ist!«
»Einen Grund?« Czenon lächelte bitter. »Diesen Grund gibt es tatsächlich. Er … er will meine Hilfe bei etwas, das er zu tun vor hat.«
»Deine Hilfe ?«
Czenon nickte schwerfällig, doch er sagte nichts weiter. Seine Lippen bebten und Schweißtropfen glänzten auf seiner Stirn.
»Aber wie könntest du ihm helfen?«, fragte Linan weiter, jetzt noch verwirrter als zuvor. »Will er Geld von dir? Schuldest du ihm etwas?«
Czenon fuhr sich mit der rechten Hand über die Stirn, als könnte er damit alle Erinnerung an den fremden Besucher abschütteln.
»Nein», winkte er ab, »er will kein Geld, er will etwas anderes, etwas ganz anderes.«
Er seufzte. »Als ich ihn kennenlernte, warst du noch nicht geboren, Linan. Es ist fast eine Ewigkeit her, dass ich ihn zuletzt gesehen habe. Und ich war mir sicher, ihn nie wieder zu treffen, denn eigentlich hätte er tot sein müssen.«
»Tot?«, fragte Linan überrascht. »Hast du etwa ...?«
»Nein! «, schüttelte Czenon rasch den Kopf und für einen Augenblick regte sich Bestürzung in ihm, dass seine Tochter so etwas von ihm denken konnte. »Damit hatte ich nichts zu tun, und deswegen ist er auch nicht hier.«
Linan musterte ihren Vater nachdenklich. Für einen Augenblick war sie überzeugt gewesen, der Fremde wollte sich an ihrem Vater rächen, doch offenbar war dem nicht so.
»Aber was will er dann?«
»Er hat mir einmal etwas gegeben, das er jetzt zurück haben will. Etwas sehr Wertvolles – und sehr Gefährliches.«
Linans Gedanken überschlugen sich. Was im Namen der Götter konnte ihr Vater besitzen, das gefährlich war?
Czenon schloss für ein paar Augenblicke die Augen, die Müdigkeit schien ihn zu überwältigen, doch dann öffnete er sie wieder und etwas in seinem Blick hatte sich verändert, so als hätte er eine schwerwiegende Entscheidung getroffen.
»Für das, was ich dir jetzt
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