Der Untergang der Götter - Die Verbotenen Wege (German Edition)
erstarrte sie und horchte nach vorne. Sie glaubte, ein Geräusch gehört zu haben, wie das Atmen eines Tieres. Vollkommen lautlos versuchte sie, etwas Genaueres zu hören, aber alles blieb still und schon glaubte sie, sich getäuscht zu haben. Eine bloße Einbildung ihrer überreizten Fantasie.
Doch, da war eine Art Scharren; undeutlich und kaum wahrnehmbar, aber es war da. Angst kam in ihr auf wie ein plötzlicher Sturmwind, der sie unvorbereitet traf. Lange verharrte sie und wusste nicht, ob sie weitergehen sollte. Etwas in ihr warnte, es zu tun, und sie war es gewohnt, auf ihre innere Stimme zu hören. Aber was sollte sie sonst tun? Zurückgehen wollte sie nicht, denn dort gab es nichts als die glatte Wand, die keine Hoffnung auf Ausweg versprach. Also musste sie weiter.
Sie drehte sich um und ging zurück zu der Stelle, wo das Plateau nach unten in den Gang mündete, aus dem sie gekommen war. Dort angekommen hielt sie sich links und lief weiter, bis sie irgendwann tatsächlich an eine Wand stieß. Sie hatte die Wand erst gesehen, als sie unmittelbar vor ihr stand, so als ob das merkwürdige Licht alles verschleierte.
Nach kurzem Zögern entschied sie sich, dieser Wand zu folgen. Das erschien ihr sicherer, als mitten durch die Halle zu gehen. Dort fühlte sie sich noch ausgelieferter und wehrloser als hier, wo sie zumindest die Wand an ihrer Seite wusste.
Sie bemühte sich, vollkommen still zu sein, denn was immer sich auf dem Plateau befand – es machte ihr ungeheure Angst. Immer wieder hörte sie ein Scharren, wie von Krallen, die über den Boden rieben, aber vielleicht malte ihr gepeinigter Verstand das auch nur aus. Sie wusste nur eines: sie wollte auf keinen Fall herausfinden, ob sich tatsächlich etwas vor ihr befand.
Stunde um Stunde war sie auf diese Weise weitergegangen, dann blieb sie erschöpft stehen. Hatte es überhaupt einen Zweck, weiterzugehen? Konnte sie sicher sein, ein Ende zu erreiche, und wenn ja: würde ihr das helfen? Oder lief sie einfach nur im Kreis?
Plötzlich ertönte ein entsetzliches Grollen, das sie zusammenfahren ließ. Sie presste sich die Hände auf die Ohren, zitterte und ging in die Knie, dann war es vorbei und es herrschte wieder vollkommene Stille, in der ihr der eigene Herzschlag unnatürlich laut vorkam.
Linan atmete schwer aus und drückte das Amulett so fest sie nur konnte. Seltsamerweise schien es ihr Kraft zu geben und sie war dankbar dafür. Sie wollte gerade weitergehen, als sie undeutlich vor sich einen Schemen sah, der sich ein gutes Stück entfernt von ihr bewegte und riesig zu sein schien.
Was im Namen der Götter war das, fragte sie sich verzweifelt. Wieder ertönte das Grollen, ungeduldig und wütend, und wieder brach sie vor Angst fast zusammen. Dann wurde es übergangslos hell dort, wo sie den Schemen gesehen hatte, und sie konnte erkennen, was sich vor ihr befand.
Linans Atem schien still zu stehen und ihre Augen brannten vor Schmerz. Schlimmer war jedoch, was sie erblickt hatte. Sie drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand und wimmerte. Konnte das Wirklichkeit sein? War es wirklich möglich, dass sie das gesehen hatte?
Sie konnte, wollte es nicht glauben. Aber es gab keinen Zweifel; der Albtraum, in dem sie sich befand, nahm kein Ende. Das, was sie sonst nur aus Erzählungen gekannt hatte, womit man kleine, unartige Kinder erschreckte, war Wirklichkeit geworden.
***
Sein Körper bebte, als würde er von einem Riesen durchgeschüttelt. Abwehrend hielt er die Hände vor sein Gesicht, aber es half nichts, denn der Schmerz kam von innen – und davor gab es kein Entrinnen.
»Es ist bald vorüber!«
Die Stimme des alten Mannes klang beruhigend, aber es half nichts. Noch immer tobte der Schmerz durch seinen Körper und schien kein Ende zu kennen.
»Eneas – konzentriere dich! Du kannst diese Kraft meistern!«
Er spürte die Hände des Alten auf seinem Körper und es war, als würden glühende Eisen auf ihn gedrückt, die seine Haut verbrannten. Jede Berührung ließ ihn erbeben. Er wollte nur noch, dass es aufhörte. Dass dieser entsetzliche, alles zermalmende Schmerz endlich aufhörte.
Seine Haut schien aufzulodern und zu schreien, hoffend, dass diese Qual endlich vorübergehen würde. Er war nicht stark genug, dies hier zu ertragen, seine Kraft war aufgebraucht und er wollte sterben, wollte alles tun, nur damit es endete.
Und dann war es vorbei. Die Welt wurde wieder normal und sein gepeinigter Verstand fand allmählich wieder
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