Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Untergang der Hölle (German Edition)

Der Untergang der Hölle (German Edition)

Titel: Der Untergang der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
Vom Netzwerk:
halten?«
    »Ein widersprüchliches Wesen, Madam. So gequält, dass er seiner eigenen Existenz ein Ende bereitete. Ein Wesen, das Ihnen sehr ähnlich war, würde ich behaupten.«
    Vee trat schließlich von der Wand zurück und verschob das Gewehr so, dass sie sich gegenseitig ansehen konnten. »Was soll das heißen, er war mir ähnlich?«, wollte sie wissen.
    »Sie verstehen sich beide selbst nicht mehr. Sie verspüren beide Ekel vor der eigenen Existenz. Sie wollen beide das zerstören, was sie früher einmal waren. Der Schöpfer durch seine Selbstvernichtung. Und Sie … durch Ihr Vergessen. Abgesehen davon, dass Sie gewissermaßen als neues Wesen wiedergeboren wurden, was bei ihm nicht der Fall sein wird. Jedenfalls ist davon nicht auszugehen.«
    »Vielleicht bin ich ja der Schöpfer, hm?«, schnappte Vee sarkastisch. »Vielleicht hast du mir gerade dabei geholfen, meine wahre Identität zu erkennen!«
    »Wenn man davon ausgeht, dass er in jedem menschlichen Wesen existiert, dann denke ich, dass Sie das in diesem Sinne und in diesem Maße sind, ja.«
    »Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um mich zu verarschen, Jay.«
    »Nichts läge mir ferner, Madam. Wie gesagt, ich versuche lediglich, Sie zu beruhigen, und beteilige mich dabei an einer intellektuell stimulierenden Unterhaltung.«
    »Fick dich.«
    »Dann versuche ich, mich anderweitig nützlich zu machen«, erwiderte Jay kühl und unbeeindruckt. »Offenbar können wir von unserer momentanen Position aus weiter nach oben gelangen.«
    Vee sah noch einmal hinauf, ging dann zurück zur Wendeltreppe und setzte den Aufstieg fort. Es ging immer im Kreis durch das Innere des Zylinders. Schließlich stieß sie auf eine riesengroße 84, die tief in das Glas geätzt war. Sie stieg weiter, bis sie auf Ebene 85 eine weitere Plattform und einen daran anschließenden Korridor erreichte, der von außen mitten durch das Aquarium führte. Sie verschnaufte einen Moment und konnte nicht widerstehen, noch einen Blick in den Tank zu werfen. Ein ausgewachsener Fötus trieb beunruhigend nah vor ihrem Gesicht durch die Flüssigkeit, obwohl sie sicher sein konnte, dass das Glas mindestens einen halben Meter dick war.
    Sie fragte Jay: »Und was passiert im Himmel mit den Ungeborenen?«
    »Nun, man wird vor die Wahl gestellt. Wenn die Mutter es vorzieht, kann sie ihr Kind für immer in ihrem Körper tragen und die mütterliche Bindung aufrechterhalten. Wenn sie sich später anders entscheidet, was die meisten Mütter tun, ist es möglich, den Nachwuchs herauszuholen. Nachdem das Kind sich nicht weiterentwickeln kann, verharrt seine seelische Entwicklung auf der Stufe, die es zum Zeitpunkt seines Todes erreicht hatte. Dann halten diese Mütter ihr Kind in einem separaten Tank, weitgehend im gleichen Zustand, in dem sich diese hier befinden. So ähnlich wie ein Haustier, mit dem sie reden und es sogar auf den Arm nehmen können, wenn sie es von Zeit zu Zeit aus der Nährflüssigkeit herausholen.«
    »Scheiße, Mann«, fluchte Vee. Die Tränen trockneten auf ihrem Gesicht und wichen hysterischer Wut und Abscheu. »Das ist ja sogar noch schlimmer. Das eigene Kind wie eine Eidechse im Terrarium zu halten.«
    Sie wollte sich gerade wieder von der Scheibe zurückziehen, als sie beobachtete, wie das Baby vor ihrem Gesicht mehrfach seinen Mund öffnete wie ein Fisch. Als ob es versuchte, ihr etwas mitzuteilen. Sie zuckte entsetzt zurück und wäre beinahe wieder in Tränen ausgebrochen.
    Ebene 86, verkündete das Glas. Dann 87. Eine weitere Plattform. Auf Ebene 88 endete die Treppe abrupt, obwohl der Zylinder noch weiter in die Höhe ragte. Doch hier oben gab es keine Scheinwerfer mehr, sodass sie nicht mit Gewissheit sagen konnte, bis zu welcher Ebene sich der Zylinder erstreckte. War die Decke nicht weit entfernt oder schraubte sich das menschliche Aquarium noch zahllose Ebenen nach oben? War dies das vorgesehene Ende der Treppe oder hatte irgendwer sie gekappt, damit andere ihr Territorium auf diesem Weg nicht betreten konnten?
    Vee stieg wieder zur Plattform von Ebene 87 hinunter und betrat dort den Korridor. Sie verließ das Herz des röhrenförmigen, gläsernen Limbusturmes – und hoffte inständig, dass sie nie mehr hierhin zurückkehren musste.

27. Das Callcenter
    A uf Ebene 90 stieß Vee auf eine weitere große Community. Diese setzte sich ausschließlich aus Verdammten zusammen, doch an der Grenze verhielten die Sicherheitsposten sich ihr gegenüber ausgesprochen höflich. Sie

Weitere Kostenlose Bücher