Der Untergang der islamischen Welt
eine Chance aus, um Fehler zu begehen. Zum Beispiel nach dem Sieg im Sechstagekrieg von 1967 verpasste Israel die Chance, aus einer Situation der Stärke heraus einen gerechten Frieden mit seinen Nachbarn zu schließen. Auch eine humane Lösung für die palästinischen Flüchtlinge hätte mit israelischer Hilfe gefunden werden können. Stattdessen wurde eine Siedlungspolitik betrieben, die etwa eine Zwei-Staaten-Lösung bis heute beinahe unmöglich macht und Israel von innen zu erwürgen droht. Der Konflikt begann mit einem Kampf von Recht gegen Recht und endete mit einem Kampf von Unrecht gegen Unrecht, sagte der norwegische Friedensforscher Johan Galtung. Heute treten beide Seiten in einen Wettbewerb darüber ein, wer von ihnen das größere Opfer sei.
Als Ben Gurion am 14 . Mai 1948 den israelischen Staat ausrief, fielen fünf arabische Armeen, schlecht bewaffnet und mit geringer Kenntnis des Feindes, über den neuen Nachbarn her, dessen Existenz die Araber für unrechtmäßig hielten. Die junge israelische Armee schlug die arabischen Truppen und befestigte ihre Kontrolle über das Kernland Israel. Unter den gedemütigten Arabern in Palästina war der junge ägyptische Offizier Gamal Abdel Nasser ( 1918 – 1970 ). Vier Jahre nach der Niederlage brachte den vom Sozialismus angezogenen Nasser, unterstützt von der Muslimbruderschaft, ein Militärputsch in Kairo an die Macht. Der König Farouk von Ägypten musste abdanken, er verließ das Land und begab sich ins italienische Exil. Nasser, der neue Alleinherrscher am Nil, verfolgte drei Ziele: die Einführung des Realsozialismus, die Modernisierung Ägyptens und die Vernichtung Israels bzw. die Rückeroberung Palästinas.
Um neue Industrien aufzubauen, benötigte Nasser neue Energiequellen und stieß deshalb das Mammutprojekt des Assuan-Staudamms an, für dessen Finanzierung er internationale Kredite suchte. Doch die Weltbank verweigerte ihm die Finanzierung wegen seiner Nähe zur Sowjetunion und seiner antiisraelischen Rhetorik. Um sein Projekt zu verwirklichen, enteignete er den Suezkanal, der zu diesem Zeitpunkt unter französisch-britischer Kontrolle lag. Die ehemaligen Kolonialherren Frankreich und Großbritannien versuchten mit Hilfe Israels die Kontrolle über den Suezkanal durch einen Militärschlag im Herbst 1956 zurückzugewinnen, doch obwohl der Anschlag die Städte um den Kanal verwüstete, blieb der Kanal in ägyptischer Hand, und Nasser wurde als Held gefeiert. Mit Hilfe der Sowjetunion rüstete Nasser auf und glaubte fest daran, Israel bald zu vernichten. Doch die Israelis waren schneller und griffen Ägypten im Juni 1967 ohne Kriegserklärung an. Ihnen gelang es nicht nur, Jerusalem zu erobern, sondern auch die ägyptische Sinai-Halbinsel, den Gazastreifen, das Westjordanland und die syrischen Golanhöhen.
Nachdem Nassers Projekt der Befreiung Palästinas in einer Katastrophe geendet war, verblasste auch der Glaube an Nationalismus und Sozialismus. Eine ganze Generation war in der gesamten arabischen Welt von dieser Niederlage betroffen. Einmal mehr standen die Araber vor dem Scherbenhaufen eines unkalkulierbaren Abenteuers und suchten Orientierung.
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Islam ist die Lösung, lautete das Motto der Islamisten, denen sich nun zunehmend Orientierungssuchende anschlossen. »Der Fundamentalismus blüht auf den Trümmern gescheiterter Experimente«, schreibt der französische Autor und Islamkritiker Abdelwahab Meddeb. Während die ersten palästinensischen Kommandos, die gegen Israel kämpften, aus Marxisten und teilweise sogar aus Atheisten bestanden, mutierte der arabisch-israelische Konflikt mehr und mehr von einer territorialen zu einer religiösen Konfrontation.
Erst in den achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts tauchte die Hamas als politische Kraft in den palästinischen Gebieten auf. Die Hamas gilt als Filiale der ägyptischen Muslimbruderschaft, die 1928 gegründet wurde. Die Hamas wurde anfangs von den Israelis geduldet oder sogar unterstützt, um als Ausgleich zu der säkularen Fatah-Bewegung von Jasir Arafat zu fungieren, später richtete sich die Aggression der Hamas allerdings gegen Israel. Auch Anfang der fünfziger Jahre waren es die Muslimbrüder gewesen, die Nasser an die Macht verholfen hatten. Nach der Machtübernahme musste er ihre Anführer ins Gefängnis stecken, da sie gegen seine sozialistische Politik agitierten. Als Anwar as-Sadat Ägypten in Richtung Westen öffnen wollte, rebellierten die
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