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Der Untergang der islamischen Welt

Der Untergang der islamischen Welt

Titel: Der Untergang der islamischen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hamed Abdel-Samad
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Nasseristen und Marxisten. Sadat suchte sein Heil darin, die Islamisten aus den Gefängnissen zu entlassen, um die Marxisten zu schwächen. Ein verhängnisvoller Fehler, den er wenige Jahre später mit dem Leben bezahlen sollte. In der Tat gelang es den ägyptischen Islamisten nach ihrer Entlassung, die Marxisten zu verdrängen, doch sie machten auch Front gegen Sadats Friedenspolitik gegenüber Israel. Und so wurde Anwar as-Sadat schließlich von jenen Männern ermordet, die er zuvor begnadigt hatte.

    Zwei islamistische Bewegungen schafften es, ihre radikalen Ideologien überall in der islamischen Welt zu verankern: Die Wahhabiten aus Saudi-Arabien und die Muslimbruderschaft aus Ägypten. Die Petrodollars am Golf und das reaktionäre Denken am Nil schafften es am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, das arabische Denken zu dominieren. In Afghanistan gelang es den Auswüchsen beider Bewegungen, sich zu verbünden. Mit Hilfe der im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion vorgehenden Amerikaner konnten die Islamisten ihre Länder verlassen und sich am Hindukusch treffen, um gegen die sowjetischen Truppen zu kämpfen. Aus einer Allianz von arabischem Verdruss, westlicher Willkür und saudischen Spenden entstand in den afghanischen Gebirgstälern al-Qaida, die die arabische Misere am deutlichsten illustriert: man kauft westliche Waffen, um Westler zu töten, benutzt westliche Videokameras, um die Hinrichtung westlicher Journalisten aufzunehmen, und setzt auf sensationslüsterne westliche TV -Sender, um den Terror in der Welt zu verbreiten.
    Nicht nur die Ideologie des Dschihad transportieren die Muslimbrüder und die Wahhabiten durch die von ihnen weltweit geförderten Schulen und Satellitensender, sondern auch ihre unversöhnlichen Menschen-, Gesellschafts- und Frauenbilder. Schizophrenie bedeutet Ent-zwei-ung. Aus Entzweiung entsteht Ver-zweif-lung. Keine andere Ideologie kommt bei den verzweifelten Massen so gut an wie die der Muslimbrüder und al-Qaida. Wut und Größenwahn sind das Benzin im schweren islamischen Verbrennungsmotor.
    Während sich das arabische Denken mehr und mehr nach rückwärts orientiert, verschärft sich der Konsum westlicher und chinesischer Verbrauchsgüter drastisch, und das, ohne Rücksicht auf die Umwelt zu nehmen. Gleichzeitig überflutet der westliche Massentourismus die meisten islamischen Staaten und bildet eine der Haupteinnahmequellen. Viele, die in dieser Branche arbeiten, fühlen sich, als hätten sie ihre Seele an den Teufel verkauft. Man bedient die Touristen zwar freundlich, neidet ihnen heimlich ihren Wohlstand und begeht gelegentlich mit ihnen die Sünde, doch maßgebend bleibt die Skepsis ihnen gegenüber als dekadenten Ungläubigen. Der Tourismus bringt selten Aufklärung und Dialog mit sich, sondern bestätigt viele Muslime in ihren Annahmen über den rücksichtslosen Verfall der Sitten durch westlichen Einfluss.
    Der Kontakt von Morgenland und Abendland verläuft wie so oft als asymmetrische Begegnung, in welcher der Muslim auf das Trinkgeld des Europäers angewiesen ist, den er aus tiefstem Herzen verachtet. Der Tourist geht oft nur über die vorgeschriebene Route der Vorurteile und sieht von den Ländern kaum etwas, was ihn zum Nachdenken animieren könnte. Er hat Zugang zu Orten, die die meisten Einheimischen nicht betreten dürfen. In Urlaubsländern, in denen es meist ein massives Wasserproblem gibt und wo die Bevölkerung sehr sparsam mit Wasser umgehen muss, sehen die Kellner, wie die Touristen Unmengen von Wasser in Hotelanlagen, Swimmingpools und auf Golfplätzen vergeuden. »Sie klauen uns sogar das Trinkwasser«, sagte mir ein arabischer Einwanderer, der früher in seinem Heimatland in einem Hotel arbeitete. »Sie fressen unser Fleisch und werfen unsere Knochen weg.« Auch hinter diesem Ressentiment steckt eine enttäuschte Liebe. Denn in seinem Heimatland lernte er eine Touristin kennen, die sich mit ihm während ihres Urlaubs amüsierte. Als er ihr einen Heiratsantrag machte, stellte er fest, dass sie bereits verheiratet war. Somit war sein Projekt, nach Europa zu kommen, zunächst gescheitert. Auch wenn es ihm später gelang, über andere Wege ins Gelobte Land der Ungläubigen zu kommen, konnte er sein Ressentiment doch nicht loswerden.
    Der Sextourismus ist in vielen arabischen Staaten kein Randphänomen mehr, sondern ein Bestandteil der Tourismusbranche. Muskulöse junge Männer bieten sich älteren Touristinnen an, und junge osteuropäische Prostituierte kümmern

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