Der Untergang der Shaido
behaupten, dass Ihr jeden Tropfen Saidin haltet, der möglich ist.«
Das zog jedermanns Aufmerksamkeit auf sich. Min steckte die Messer weg und sprang vom Tisch; der Bund schien plötzlich so voller Furcht, dass er förmlich davor pulsierte. Harilin und Enaila wechselten besorgte Blicke, dann schauten sie wieder aus dem Fenster. Sie vertrauten nicht darauf, dass Trollocs wirklich tot waren, bevor sie nicht drei Tage lang begraben blieben. Alivia trat stirnrunzelnd einen Schritt auf ihn zu, aber er schüttelte kaum merklich den Kopf, und sie wandte sich wieder ihrem Fenster zu, auch wenn das Stirnrunzeln bestehen blieb.
Cadsuane rauschte durch den Raum; ihr Gesicht trug einen strengen Ausdruck. »Was fühlt er?«, wollte sie von Min wissen. »Keine Ausflüchte, Mädchen. Ihr kennt den Preis. Ich weiß, dass er sich mit Euch verbunden hat, und Ihr wisst, dass ich es weiß. Fürchtet er sich?«
»Er hat nie Angst«, sagte Min. »Außer wegen mir und…«
Sie schob stur das Kinn nach vorn und verschränkte die Arme unter den Brüsten, widmete Cadsuane einen Blick, der die Grüne Schwester herausforderte, ihr Schlimmstes zu tun. Der komplizierten Mixtur aus Gefühlen nach zu urteilen, die von Angst bis zu Scham reichte, die sie aus dem Bund halten wollte, worin sie aber scheiterte, hatte sie durchaus eine genaue Vorstellung, wie Cadsuanes Schlimmstes aussehen würde.
»Ich stehe genau vor Euch«, sagte Rand. »Wenn Ihr wissen wollt, wie ich mich fühle, dann fragt mich.« Lews Therin?, dachte er. Keine Antwort, und das Saidin, das ihn erfüllte, nahm nicht ab. Seine Schläfen fingen an zu pochen.
»Und?«, sagte Cadsuane ungeduldig.
»Ich fühle mich blendend.« Lews Therinl »Aber ich habe eine Regel für Euch, Cadsuane. Droht Min nie wieder. Und mehr noch, lasst sie in Frieden.«
»So, so. Der Junge zeigt die Zähne.« Goldene Vögel und Fische, Sterne und Monde wackelten, als sie den Kopf schüttelte. »Zeigt aber nicht zu viele. Und Ihr könntet die junge Frau fragen, ob sie Euren Schutz überhaupt will.« Seltsamerweise hatte Min ihren Missmut jetzt auf ihn gerichtet, und der Bund prickelte vor Gereiztheit. Beim Licht, es war schlimm genug, dass es ihr nicht gefiel, wenn er sich um sie sorgte. Jetzt wollte sie sich anscheinend auch noch im Alleingang auf Cadsuane stürzen, etwas, das nicht einmal er gern getan hätte.
Wir können bei Tarmon Gaiʹdon sterben, sagte Lews Ther in, und plötzlich strömte die Macht aus ihm heraus.
»Er hat losgelassen«, sagte Logain, als wäre er plötzlich auf Cadsuanes Seite.
»Ich weiß«, erwiderte sie. Er riss überrascht den Kopf zu ihr herüber.
»Min kann sich selbst mit Euch auseinandersetzen, wenn sie es will«, sagte Rand und ging in Richtung Tür. »Aber bedroht sie nicht.« ]a, dachte er. Wir können bei Tarmon Gaiʹdon sterben.
KAPITEL 3
Der Goldene Kranich
Der Wind hatte sich gelegt, als der Regen nachließ, aber die Sonne wurde noch immer von grauen Wolken verborgen. Der feine Nieselregen reichte allerdings aus, um Rands Haar zu durchnässen, und drang auch in seinen mit goldenem Besatz bestickten schwarzen Mantel, während er zwischen den toten Trollocs umherging. Logain hatte einen Schild aus Luft gewebt, sodass die Regentropfen von ihm abprallten oder um ihn herum zu Boden perlten, aber Rand wollte kein weiteres Mal das Risiko eingehen, dass Lews Therin wieder Saidin an sich riss. Der Mann hatte gesagt, er könnte mit dem Sterben bis zur Letzten Schlacht warten, aber wie weit konnte man einem Verrückten schon vertrauen?
Verrückt?, wisperte Lews Therin. Bin ich verrückter als du? Er wollte sich vor Lachen ausschütten.
Gelegentlich sah Nandera Rand über die Schulter an. Die hochgewachsene, sehnige Frau, die ihr grau werdendes Haar unter der braunen Shoufa verbarg, war die Anführerin der Töchter, zumindest jener auf dieser Seite der Drachenmauer, aber sie hatte beschlossen, seine Leibwache persönlich zu befehligen. Ihre grünen Augen - das war alles, was er über dem schwarzen Schleier von ihrem von der Sonne gebräunten Gesicht sehen konnte - waren ziemlich ausdruckslos, aber er war davon überzeugt, dass sie sich Sorgen machte, weil er sich nicht vor dem Regen schützte. Töchter schienen es zu bemerken, wenn etwas nicht wie immer war. Er hoffte, dass sie den Mund hielt.
Du musst mir vertrauen, sagte Lews Therin. Vertrau mir.
Oh, beim Licht, ich flehe eine Stimme in meinem Kopf an! Ich muss verrückt sein!
Nandera und der Rest der fünfzig
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