Der Untergang der Shaido
auch auf sie eine sehr beruhigende Wirkung. Meistens jedenfalls. Manchmal hatte er auch die genau entgegengesetzte Wirkung. Sie wünschte sich, sie hätt en diese Nacht gehabt. Ihr Gesicht fühlte sich wieder heiß an.
Sie stieg ab, sog Saidar in sich, ohne das Angreal zu benutzen, und webte ein Wegetor, das gerade groß genug war, dass sie Liebesknoten auf eine grasige Ebene mit Beständen aus schwarz gepunkteten Buchen und anderen Bäumen, die ihr unbekannt waren, führen konnte. Die Sonne war eine goldene Scheibe nur ein Stück von ihrem Zenit entfernt, aber die Luft war entschieden kühler als in Tear. Kalt genug, dass sie den Umhang enger zog. Im Osten und Norden und Süden erhoben sich schneegekrönte und von Wolken bedeckte Berge. Sobald Lan durch war, ließ sie das Gewebe sich auflösen und webte sofort ein weiteres Tor, diesmal nur größer, während sie in den Sattel stieg und den Umhang erneut richtete.
Lan führte Mandarb ein paar Schritte nach Westen und starrte. Keine zwanzig Schritte von ihm entfernt endete das Land abrupt an einer Klippe, von der aus sich bis zum Horizont der Ozean erstreckte. »Was hat das zu bedeuten?«, wollte er wissen. »Das ist nicht Schienar. Das hier ist Weltende in Saldaea, so weit entfernt von Schienar, wie das möglich ist, um immer noch in den Grenzlanden zu sein.«
»Ich habe dir gesagt, ich bringe dich in die Grenzländer, und das habe ich. Denk an deinen Schwur, mein Herz, denn ich werde das tun.« Und damit grub sie die Fersen in die Flanken ihrer Stute und ließ das Tier durch das offene Wegetor stürmen. Sie hörte ihn ihren Namen rufen, aber sie ließ das Tor hinter sich zusammenfallen. Sie würde ihm eine Überlebenschance verschaffen.
Nur wenige Stunden nach Mittag waren in dem großen Gemeinschaftsraum in der Königinnenlanze ein halbes Dutzend Tische besetzt. Die meisten der gut gekleideten Männer und Frauen, hinter denen aufmerksam ihre Diener und Schreiber standen, hielten sich hier auf, um Eispfeffer zu sehen, der reichlich in den Hügeln der landeinwärts gelegenen Seite der Banikhanberge wuchs, die in Saldaea auch von vielen Seemauer genannt wurden. Weilin Aldragoran interessierte sich nicht für Pfeffer. Die Seemauer hatte andere, wertvollere Feldfrüchte zu bieten.
»Mein letztes Wort«, sagte er und fuhr mit der Hand über den Tisch. Jeder Finger wies einen juwelengeschmückten Ring auf. Keine großen Steine, aber gute. Ein Mann, der Edelsteine verkaufte, musste Werbung machen. Er handelte auch noch mit anderen Dingen wie Pelzen, seltenen Hölzern für Schreiner, guten Schwertern und Rüstungen, gelegentlich auch anderen Dingen, die einen ordentlichen Profit versprachen. Aber Edelsteine machten jedes Jahr den größten Teil seines Einkommens aus. »Ich gehe nicht noch weiter runter.« Auf dem Tisch lag ein Tuch aus schwarzem Samt, auf dem ein guter Teil seines Angebots ausgebreitet lag. Smaragde, Feuertropfen, Saphire und, das Beste von allem, Diamanten. Einige davon waren groß genug, um einen Herrscher zu interessieren, und keiner davon war klein. Es wies auch keiner einen Fehler auf. Er war in allen Grenzlanden für seine makellosen Steine bekannt. »Akzeptiert den Preis, oder ein anderer wird es tun.«
Der jüngere der beiden dunkeläugigen Illianer auf der anderen Tischseite, ein glatt rasierter Mann namens Pavil Geraneos, wollte wütend etwas erwidern, aber Jeorg Damentanis, dessen mit Grau durchsetzter Bart förmlich zitterte, legte eine feiste Hand auf Geraneosʹ Arm und warf ihm einen entsetzten Blick zu. Aldragoran gab sich keine Mühe, sein Lächeln zu verbergen.
Er war noch ein Säugling gewesen, als die Trollocs Malkier überrannt hatten, und er hatte nicht die geringsten Erinnerungen an dieses Land - er dachte nur selten an Malkier; das Land war tot und vergessen -, aber er war froh, dass er sich von seinen Onkeln den Hadori hatte geben lassen. An einem anderen Tisch brüllten sich Managan und eine schwarze Tairenerin mit einem Spitzenkragen an; sie übertönten beinahe die junge Frau, die auf dem niedrigen Podest neben einem der großen Steinkamine auf der Zimbel spielte.
Dieser schlanke junge Mann hatte den Hadori abgelehnt, genau wie Gorenellin, der etwa Aldragorans Alter hatte. Gorenellin feilschte angestrengt mit zwei olivefarbenen Altaranern, von denen der eine einen hübschen Rubin im linken Ohr trug, und auf Gorenellins Stirn perlte der Schweiß. Niemand schrie einen Mann mit Hadori und Schwert an, wie Aldragoran sie trug,
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