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Der Untergang der Shaido

Der Untergang der Shaido

Titel: Der Untergang der Shaido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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nie von der Küste, darum war die Bitte, sie außerhalb der Sichtweite vom Land auszusetzen, genauso seltsam wie die Bitte um Überfahrt. Aber was konnte daran so schlimm sein?
    »Alle Amayar in den Häfen gingen, selbst jene, die noch von den Werften oder den Seilmachereien Geld bekamen, aber zwei oder drei Tage lang hat sich keiner etwas dabei gedacht.« Der Wein hatte Cemeilles Kehle nicht genug befeuchtet, um ihre Heiserkeit zu lindern. Sie rieb sich mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen. »Nicht, bis uns auffiel, dass keiner zurückgekommen war. Der Gouverneur schickte Leute in die Amayar-Dörfer, und sie fanden…« Sie kniff die Augen zusammen. »Die Amayar waren alle tot oder lagen im Sterben. Männer, Frauen…« - ihre Stimme brach - »… Kinder.«
    Trauerklagen erhoben sich in der Kabine, und Harine ertappte sich überrascht dabei, dass der schrille Laut auch aus ihrem Mund kam. Traurig genug, um einen Anker weinen zu lassen? Das sollte den Himmel schluchzen lassen. Kein Wunder, dass die Herrin der Segel heiser war. Wie viele Stunden, wie viele Tage hatte sie geweint, seit sie von dieser Katastrophe erfahren hatte?
    »Wie?«, wollte Pelanna wissen, als die Klage erstarb. Sie lehnte sich mit bestürzter Miene auf ihrem Gesicht vor. Sie hielt sich das Duftkästchen vor die Nase, als könnte der Duft den Gestank dieser Nachricht irgendwie abhalten.
    »Eine Krankheit? Sprecht, Frau!«
    »Gift, Herrin der Wogen«, erwiderte Cemeille. Sie kämpfte um Beherrschung, trotzdem liefen die Tränen weiter.
    »Wo ich auch war, es war überall das Gleiche. Sie gaben ihren Kindern ein Gift, das sie in einen tiefen Schlaf versetzte, aus dem sie nicht mehr erwachten. Anscheinend hatten sie nicht genug davon für alle, also nahmen viele der Erwachsenen ein langsamer wirkendes Gift. Einige lebten noch lange genug, um gefunden zu werden und die Geschichte zu erzählen. Die Große Hand auf Tremaiking ist geschmolzen. Der Hügel, auf dem sie stand, ist jetzt Berichten zufolge eine tiefe Senke. Anscheinend hatten die Amayar Prophezeiungen, die von der Hand sprachen, und als sie zerstört wurde, glaubten sie, das würde das Ende der Zeit bedeuten, was sie als das Ende der Illusion bezeichneten. Sie glaubten, die Zeit sei gekommen, diese… diese Illusion…« - dieses Wort ließ sie bitter lachen - »… die wir Welt nennen, zu verlassen.«
    »Ist keiner gerettet worden?«, fragte Zaida. »Nicht einer?« Auch auf ihren Wangen funkelten Tränen, aber das konnte Harine ihr nicht zum Vorwurf machen. Ihre Wangen waren ebenfalls feucht.
    »Keiner, Herrin der Schiffe.«
    Zaida stand auf, und Tränen oder nicht, sie hatte eine befehlsgewohnte Ausstrahlung, und ihre Stimme war beherrscht. »Die schnellsten Schiffe müssen zu jeder Insel geschickt werden. Selbst jene von Aile Somera. Ein Weg muss gefunden werden. Als sich das Salz nach der Zerstörung der Welt glättete, erbaten die Amayar unseren Schutz vor Gesetzlosen und Seeräubern, und wir schulden ihnen diesen Schutz noch immer. Und wenn wir nur eine Hand voll von ihnen noch lebend finden, wir schulden es ihnen noch immer.«
    »Das ist eine wirklich traurige Geschichte.« Logains Stimme klang nicht übermäßig laut, als er sich wieder in Bewegung setzte und vor Zaida trat. »Aber Eure Schiffe sind für Bandar Eban bestimmt. Wenn Ihr nicht genug Schiffe habt, dann müsst Ihr eben auch Eure anderen schnellen Schiffe benutzen. Sie alle, falls das nötig wird.«
    »Seid Ihr nicht nur herzlos, sondern auch noch verrückt?«, wollte Zaida wissen. Die Fäuste in die Hüften gestemmt und die Beine gespreizt, schien sie auf dem Achterdeck zu stehen. Ihr Blick wollte Logain durchbohren. »Wir müssen trauern. Wir müssen retten, wen auch immer wir können, und wir müssen um die zahllosen Tausende trauern, die wir nicht retten können.«
    Sie hätte genauso gut lächeln können, so viel Wirkung hatten ihre Blicke bei Logain. Er fing an zu sprechen, und Harine kam es so vor, als würde es kalt im Raum und das Licht dunkler. Sie war nicht die einzige Frau, die sich wegen dieser Kälte selbst umarmte. »Trauert, wenn Ihr das tun müsst«, sagte er, »aber trauert auf dem Weg nach Tarmon Gaiʹdon.«

KAPITEL 6
 
Einberufung zur Sitzung
    Da Magla und Salita an diesem Morgen anderweitig beschäftigt waren, hatte Romanda das geflickte Zelt für sich allein, eine ersehnte Gelegenheit, einmal in Ruhe lesen zu können, auch wenn die beiden nicht zueinander passenden Messinglampen auf dem

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