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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Saat, die die Fortpflanzung der Fliegraupen unterbindet. Viele von uns meinen, ein Tropfen auf den heißen Stein; denn die Insekten treten in solchen Massen auf und schwärmen in alle Himmelsrichtungen aus, daß man schon das Gift über den gesamten Planeten tragen müßte, wenn man einen nachhaltigen Erfolg erzielen wollte, ganz zu schweigen von den Nebenwirkungen.

    Der Planet Neuerde zeigt keine deutlichen Jahreszeiten. Etwa hundert zusammenhängende Tage im Jahr wird der Regen mäßiger, er kommt nicht mit der täglichen Regelmäßigkeit, der Himmel wird heller, ab und an bricht eine kleine, freundliche Sonne durch. Solche Stunden lassen Mühen von Monaten und Jahren vergessen.
    Das erste Jahr auf Neuerde hatte sich noch nicht verabschiedet, als es geschah, daß die Sonne, natürlich tauften wir das Zentralgestirn Sonne, warm und freundlich auf uns herabschien. Wir konnten das Ereignis zwar nicht mit Muße genießen, denn selbstverständlich wurde wie stets hart gearbeitet, aber es schien, als gehe alles flotter von der Hand, und da und dort hielt schon einmal jemand minutenlang sein Gesicht in die warme Strahlung, die übrigens keine für uns schädigenden Komponenten enthält.
    Die Pflanzen wachsen in dieser Periode noch prächtiger, die Tiere verlieren, so der Anschein, an Aggressivität. An einigen Tagen schien die Sonne durchgängig, und, ein großes Ereignis, es gab sternenklare Nächte.
    In der ersten dieser Nächte, als ich mich am Gefunkel ergötzte, Gus befand sich wer weiß wo, hätte ich heulen mögen. Es packte mich eine derartige Verzweiflung, wie ich sie an mir nicht kannte. Natürlich konnte man unser heimatliches System nicht sehen. Selbst wenn man die Richtung gewußt hätte, aus dieser Entfernung findet der Laie die Sonne nicht mehr…
    Mir wurde mit einemmal bewußt, was man uns schon Jahre vor dem Start eingebleut hatte, was allgegenwärtig und vielleicht deshalb nicht stets bewußt war: Niemals wieder würde ich diese Weiten durchmessen, niemals wieder würde ein Stern auf unser Schiff zuwachsen, der nicht Neuerde, sondern einfach Erde heißt. Wir alle werden arbeitend untergehen, unsere Kinder werden uns folgen, wann wird jemals jemand die Früchte unserer Arbeit genießen…?
    In jener ersten klaren Nacht griff auch der Pessimismus nach mir. Es drängte sich mir die Frage auf, ob es überhaupt solche Früchte unserer Arbeit geben würde…
    Heute ist die Frage für mich beantwortet; denn deshalb bin ich hier und schreibe diese Zeilen: Es wird solche Früchte nie geben, nicht für unsere Kinder und nicht für irgendwelche Menschen, die zufällig eines Tages auf Neuerde stoßen mögen. Ich bin sicher, wenngleich nicht viele von uns – noch nicht viele – meine Meinung teilen: Nur noch zufällig kann uns jemand entdecken. Es wird keinen Richtstrahl von Neuerde ins Sonnensystem geben… Aber ich greife vor.
    Die Schönwetterperiode nimmt allmählich ab. Aber Vorsicht! Wer
immer jene Zeilen liest, denke nicht, die Witterung geht zurück in das
Grau, in den steten Regen vordem!
Wir hatten keine Erfahrung.
    Die meteorologische Arbeit wurde vernachlässigt. Zwar sendete der Satellit täglich Wolkenbilder, aber damals wurden uns Zusammenhänge nicht klar. Ein jeder wollte von den Sonnenstunden noch soviel wie möglich erhaschen, zumal eben spürbar wurde, daß sie zurückgingen. Schon am frühen Mittag kam an jenem verhängnisvollen Tag Sturm auf. Nun, noch kannten wir derartige Erscheinungen von der Erde, und wir waren in gewisser Weise darauf vorbereitet.
    Schwarze Wolken flogen über uns hinweg – wir befanden uns auf den Feldern –, und als die ersten Tropfen fielen, schickten wir die Kinder nach Hause. Das war zu einem Zeitpunkt, als der Wind bedrohliche Kräfte entwickelte. Blätter wirbelten herum, Plastplanen knallten, und überall rannten Menschen umher, die Material und Gerät sicherten, aber selbst beinahe keinen Halt mehr fanden.
    Ich eilte nach Hause, kontrollierte unser Wohngebäude. Gus und ich haben keine Kinder. Uns stand, wie vielen anderen, nur ein Zimmer zu. Die meisten der Bewohner befanden sich noch draußen. Mit einigen anderen kontrollierte ich das Haus, schloß Luken und Fenster fester. Im Getöse und Gefauche hörte ich fetzenweise die Sirene, und wir paar Leute, die sich ängstlich im Klub zusammengefunden hatten, waren uns einig, Katastrophenalarm, der Sammeln am Rathaus gebot. Der Sturm riß uns die Tür davon beim Versuch, sie zu öffnen. Sie riß einfach ab und

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