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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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hervorgegangene Licht dasjenige Mohammeds, in Gestalt eines Pfaus, [Wolff, Muhammedanische Eschatologie 3, 2 ff.] »aus weißer Perle« erschaffen und von Schleiern umwallt. Aber der Pfau ist schon bei den Mandäern der Gesandte Gottes und die Urseel e [Johannesbuch der Mandäer, Kap. 75.] und auf altchristlichen Sarkophagen das Sinnbild der Unsterblichkeit. Die lichtspendende Perle, die das dunkle Haus des Leibes erhellt, ist der in den Menschen eingegangene Geist, als Substanz gedacht, bei den Mandäern wie in der Apostelgeschichte des Thomas. [Usener, Vortr. u. Aufs., S. 217.] Die Jezidi [Die »Teufelsanbeter« in Armenien: M.Horten, Der neue Orient (1918), März. Der Name entstand, weil sie den Satan nicht als Wesen anerkannten und deshalb das Böse durch sehr verwickelte Vorstellungen vom Logos selbst ausgehen ließen. Dasselbe Problem hat unter dem Eindruck sehr alter persischer Lehren auch die Juden beschäftigt; man beachte den Unterschied von IL Sam. 24, 1 und I. Chron. 21,1.] verehren den Logos als Pfau und Licht; sie haben die altpersische Fassung der substanziellen Dreiheit nächst den Drusen am reinsten bewahrt.
    So kehrt der Logosgedanke immer wieder in das Lichtempfinden zurück, aus dem er durch das magische Verstehen abgezogen worden war.
Die Welt des magischen Menschen ist von einer Märchenstimmung erfüllt.
[M. Horten a. a. O. XXI. Das Buch ist die beste Einführung in die wirklich bestehende Volksreligion des Islam, die von der offiziellen Lehre beträchtlich abweicht.] Teufel und böse Geister bedrohen den Menschen, Engel und Feen schützen ihn. Es gibt Amulette und Talismane, geheimnisvolle Länder, Städte, Gebäude und Wesen, geheime Schriftzeichen, das Siegel Salomos und den Stein der Weisen. Und über alles ergießt sich schimmernd das höhlenhafte Licht, das immer davon bedroht ist, durch eine gespenstische Nacht verschlungen zu werden. Wem diese Bilderpracht wunderlich erscheinen will, der bedenke, daß Jesus in ihr lebte und daß seine Lehren nur aus ihr zu verstehen sind. Die Apokalyptik ist nur eine zu höchster tragischer Gewalt gesteigerte Märchenvision. Schon im Buche Henoch erscheinen der Kristallpalast Gottes, die Edelsteinberge und das Gefängnis der abtrünnigen Sterne. Märchenhaft ist die ganze erschütternde Vorstellungswelt der Mandäer und später die der Gnostiker, der Manichäer, das System des Origenes und die Bilder des persischen Bundehesch; und als die Zeit der großen Visionen vorüber war, gingen diese Vorstellungen in eine Legendendichtung und zahllose religiöse Romane über, von denen wir die christlichen Werke der Kindheitsevangelien Jesu, der Thomasakten und der gegen Paulus gerichteten Pseudo-Clementinen kennen. Es gibt eine Geschichte der von Abraham geprägten 30 Silberlinge des Judas und ein Märchen von der »Schatzhöhle«, in der tief unter dem Hügel von Golgatha der Goldschatz des Paradieses und die Gebeine Adams ruhen. [Baumstark, Die christl. Literaturen d. Orients I, S. 64.] Was Dante dichtete, war eben Dichtung; dies alles aber war Wirklichkeit und die einzige Welt, in der man beständig lebte. Ein solches Empfinden liegt Menschen, die mit und in einem dynamischen Weltbilde leben, unerreichbar fern. Wenn man ahnen will, wie fremd das Innenleben Jesu uns allen ist – eine schmerzliche Einsicht für den Christen des Abendlandes, der seine Frömmigkeit gern auch innerlich an ihn anknüpfen möchte – und wie es heute eigentlich nur von einem frommen Moslim nacherlebt werden kann, so versenke man sich in diese Märchenzüge eines Weltbildes, das auch das seinige war. Dann erst wird man erkennen, wie wenig das faustische Christentum aus dem Reichtum der pseudomorphosen Kirche herübergenommen hat, nämlich nichts vom Weltgefühl, wenig von der inneren Form und viel an Begriffen und Gestalten.
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    Aus dem Wo folgt das Wann der magischen Seele. Es ist wieder nicht das apollinische Haften an der punktförmigen Gegenwart und ebensowenig das faustische Treiben und Drängen nach einem unendlich fernen Ziel. Hier hat das Dasein einen andern Takt und daraus folgt für das Wachsein ein anderer Sinn der Zeit als Gegenbegriff zum magischen Räume. Das erste, was der Mensch dieser Kultur vom ärmsten Sklaven und Lastträger bis zum Propheten und Kalifen als Kismet über sich fühlt, ist nicht die grenzenlose Flucht der Zeiten, die den verlorenen Augenblick nie wiederkehren läßt, sondern ein Anfang und ein Ende »dieser Tage«, die unverrückbar gesetzt sind und

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