Der Untergang des Abendlandes
Reichsgedankens Wallenstein und des absoluten Staatsgedankens in Frankreich Richelieu gegenüber, und später sind in Frankreich Mazarin, in England Cromwell, in Holland Oldenbarneveldt, in Schweden Oxenstierna gefolgt. Erst mit dem Großen Kurfürsten erscheint wieder ein Monarch von staatsmännischer Bedeutung.
Wallenstein knüpft unbewußt dort an, wo die Hohenstaufen aufgehört hatten. Nach dem Tode Friedrichs II. (1250) war die Gewalt der Reichsstände eine unbedingte geworden und gegen diese, für einen absoluten Kaiserstaat, trat er während seines ersten Kommandos ein. Wäre er ein größerer Diplomat, klarer, vor allem entschlossener gewesen – er fürchtete sich vor Entscheidungen –, hätte er wie Richelieu die Notwendigkeit erkannt, vor allem die Person des Monarchen unter seinen Einfluß zu bringen, so wäre mit dem Reichsfürstentum vielleicht aufgeräumt worden. Er sah in diesen Fürsten Rebellen, die abgesetzt und deren Land konfisziert werden müßte, und auf dem Gipfel seiner Macht, Ende 1629, als er Deutschland militärisch fest in der Hand hatte, ließ er im Gespräch verlauten, der Kaiser müsse Herr im Reiche sein wie die Könige von Frankreich und Spanien. Sein Heer, das »sich selbst ernährte« und auch durch seine Stärke von den Ständen unabhängig blieb, war zum ersten Male in Deutschland eine Kaiserarmee von europäischer Bedeutung; neben ihm kam das von Tilly geführte Heer der Fronde, denn das war die Liga, nicht in Betracht. Als Wallenstein 1628 vor Stralsund lag, um den Gedanken einer habsburgischen Seemacht in der Ostsee zu verwirklichen, von wo aus das bourbonische System im Rücken gefaßt werden konnte – während gleichzeitig Richelieu mit besserem Erfolg La Rochelle belagerte –, waren Feindseligkeiten zwischen der Liga und ihm kaum noch zu vermeiden. Auf dem Reichstag zu Regensburg 1630 war er abwesend, weil, wie er sagte, sein Quartier demnächst in Paris sein werde. Es war der schwerste politische Fehler seines Lebens, denn hier siegte die Fronde der Kurfürsten über den Kaiser durch die Drohung, Ludwig XIII. an seine Stelle zu setzen, und erzwang die Abdankung des Generals. Damit hatte die Zentralgewalt in Deutschland, ohne die Tragweite des Schrittes zu erkennen, ihr Heer aus der Hand gegeben. Von nun an unterstützte Richelieu die große Fronde in Deutschland, um hier die spanische Stellung zu erschüttern, während auf deren Seite Olivarez und der wieder zum Kommando gelangte Wallenstein sich mit der Ständepartei in Frankreich verbündeten, die daraufhin unter der Königin-Mutter und Gaston von Orléans zum Angriff überging. Aber die kaiserliche Gewalt hatte den großen Augenblick versäumt. In beiden Fällen behielt der Kardinal die Oberhand. Er ließ 1632 den letzten Montmorency hinrichten und brachte die katholischen Kurfürsten Deutschlands in ein offenes Bündnis mit Frankreich. Von da an trat Wallenstein, der in seinen Endzielen unsicher wurde, mehr und mehr dem spanischen Gedanken entgegen, den er von dem Reichsgedanken trennen zu können glaubte, und näherte sich (wie in Frankreich der Marschall Turenne) damit von selbst den Ständen.
Es ist die entscheidende Wendung in der späteren deutschen Geschichte.
Erst mit diesem Abfall ist der absolute Kaiserstaat unmöglich geworden. Wallensteins Ermordung 1634 änderte daran nichts mehr, denn man fand für ihn keinen Ersatz.
Und eben jetzt wären die Umstände noch einmal günstig gewesen, denn 1640 brach in Spanien, Frankreich und England der Entscheidungskampf zwischen Staatsgewalt und Ständen aus. Gegen Olivarez erhoben sich die Cortes in fast allen Provinzen. Portugal und damit Indien und Afrika gingen für immer verloren; Neapel und Katalonien konnten erst nach Jahren wieder unterworfen werden. In England muß – ganz wie im Dreißigjährigen Kriege – der Verfassungskampf zwischen dem Königtum und der im Unterhaus herrschenden Gentry von der religiösen Seite der Revolution sorgfältig getrennt werden, so tief die beiden Tendenzen sich auch durchdringen. Aber der wachsende Widerstand, den Cromwell gerade in der Unterklasse gefunden hat und der ihn ganz gegen seinen Willen in eine Militärdiktatur hineintrieb, und dann die Volkstümlichkeit des zurückkehrenden Königtums beweisen, in welchem Grade der Sturz der Dynastie über alle Zwistigkeiten in religiösen Dingen hinaus durch ständische Interessen bewirkt war.
Als Karl I. hingerichtet wurde, kam es auch in Paris zum Aufstand, der die
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