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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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erhalten, wie es den Stil des absoluten Königtums von Spanien empfing; es hat beiden eine glänzende und unwiderstehliche Fassung gegeben, die weit über das Festland hin vorbildlich blieb, aber auf die praktische Verwendung verstand es sich nicht. Die Ausnützung der bürgerlichen Schlagworte [Die moralisch-politische Aufklärung ist auch in England ein Produkt des dritten Standes (Priestley, Paley, Paine, Godwin) und weiß deshalb mit dem vornehmen Geschmack Shaftesburys nichts anzufangen.] für den politischen Erfolg setzt den Kennerblick einer vornehmen Klasse für die geistige Verfassung der Schicht voraus, die jetzt zur Herrschaft kommen wollte, ohne herrschen zu können, und ist deshalb in England ausgebildet worden; aber ebenso die rücksichtslose Anwendung des Geldes in der Politik, nicht jene Bestechung einzelner Persönlichkeiten von Rang, wie sie dem spanischen und venezianischen Stil geläufig war, sondern die Bearbeitung der demokratischen Mächte selbst. Hier sind während des 18. Jahrhunderts erst die Parlamentswahlen und dann die Entschließungen des Unterhauses planmäßig durch Geld geleitet worden, [Der Schatzkanzler Pelham, Nachfolger Walpoles, ließ durch seinen Sekretär am Ende jeder Session den Mitgliedern des Unterhauses 500–800 Pfund in die Hände drücken, je nach dem Wert ihrer der Regierung, d. h. der Whigpartei, geleisteten Dienste. Der Parteiagent Dodington schrieb 1741 über seine parlamentarische Tätigkeit: »Ich war nie bei einer Debatte anwesend, wenn ich es vermeiden, und nie bei einer Abstimmung abwesend, die ich mitmachen konnte. Ich hörte manche Gründe, die mich überzeugten, aber nie einen, der meine Abstimmung beeinflußt hat.«] und hier hat man mit dem Ideal der Pressefreiheit zugleich auch die Tatsache entdeckt, daß die Presse dem dient, der sie besitzt. Sie verbreitet nicht, sondern sie erzeugt die »freie Meinung«. Beides
zusammen
ist liberal, frei nämlich von den Hemmungen des erdverbundenen Lebens, seien es Rechte, Formen oder Gefühle, der Geist frei für jede Art von Kritik, das Geld frei für jede Art von Geschäft. Beides ist aber auch rücksichtslos auf die Herrschaft eines
Standes
gerichtet, der die Hoheit des Staates über sich nicht anerkennt. Geist und Geld, anorganisch wie sie sind, wollen den Staat nicht als gewachsene Form von großer Symbolik, die Achtung fordert, sondern als Einrichtung, die einem Zweck dient. Darin liegt der Unterschied von den Mächten der Fronde, die nur die gotische Art, lebendig in Form zu sein, gegen die des Barock, das Lehnswesen gegen den Absolutismus verteidigt haben, und die jetzt, in die Verteidigung gedrängt, von diesem kaum noch zu unterscheiden sind. Allein in England hat die Fronde nicht nur den Staat in offenem Kampf, sondern auch den dritten Stand durch innere Überlegenheit entwaffnet und deshalb die einzige Art von demokratischem In-Form-Sein erreicht, die nicht entworfen oder nachgeahmt, sondern herangereift ist, Ausdruck einer alten Rasse und eines ungebrochenen und sicheren Taktes, der mit jedem neuen, durch die Zeit gegebenen Mittel fertig zu werden weiß. Deshalb hat das englische Parlament die Erbfolgekriege der absoluten Staaten mitgeführt, aber als Wirtschaftskriege mit geschäftlichem Endziel.
    Das Mißtrauen gegen die hohe Form ist in dem innerlich formlosen Nichtstand so groß, daß er immer und überall bereit gewesen ist, seine Freiheit –
von
aller Form – durch eine Diktatur zu retten, die regellos und deshalb allem Gewachsenen feind ist, aber gerade durch das Mechanisierende ihrer Wirksamkeit dem Geschmack von Geist und Geld entgegenkommt; man denke an den Aufbau der französischen Staatsmaschine, den Robespierre begonnen und Napoleon vollendet hat. Die Diktatur im Interesse eines Standesideals haben Rousseau, Saint Simon, Rodbertus und Lassalle ebenso gewünscht, wie die antiken Ideologen des 4. Jahrhunderts, Xenophon in der Kyropädie und Isokrates im Nikokles. [Daß ein solches Ideal des persönlichen Regiments hier tatsächlich die Diktatur im Interesse bürgerlicher und aufgeklärter Ideale bedeutet, ergibt sich aus dem Gegensatz zum strengen Staatsideal der Polis, an welcher nach Isokrates der Fluch des Nichtsterbenkönnens haftet.]
    In dem bekannten Satze Robespierres: »Die Regierung der Revolution ist der Despotismus der Freiheit gegen die Tyrannei« kommt aber auch die tiefe Furcht zum Ausdruck, die jede Menge befällt, welche sich im Angesicht ernster Ereignisse nicht sicher in

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