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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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dieser Politik und die einzige Möglichkeit der Politik überhaupt in allen solchen Zeiten, eine Kunst, in welcher das römische Regiment bis jetzt unerreicht geblieben ist.
    Aber auf der andern Seite war das Ergebnis der Revolution trotz alledem
die Emanzipation des Geldes,
das von nun an in den Zenturiatkomitien herrschte. Was hier sich
populus
nannte, wird mehr und mehr ein Werkzeug in der Hand der großen Vermögen, und es bedurfte der ganzen taktischen Überlegenheit der regierenden Kreise, um in der
plebs
ein Gegengewicht aufrechtzuerhalten und in ihren einunddreißig ländlichen Tribus wirklich eine Vertretung des bäuerlichen Grundbesitzes unter Leitung der adligen Geschlechter bereit zu haben, von welcher die großstädtische Masse ausgeschlossen blieb. Daher die energische Art, mit welcher die Anordnungen des Appius Claudius wieder beseitigt worden sind. Das natürliche Bündnis zwischen Hochfinanz und Masse, wie es sich später unter den Gracchen und dann unter Marius verwirklichte, um die Tradition des Blutes zu zerstören, und wie es unter anderm auch den deutschen Umsturz von 1918 vorbereitet hat, ist auf viele Generationen hin unmöglich gemacht worden. Bürgertum und Bauerntum, Geld und Grundbesitz hielten sich in gesonderten Organen das Gleichgewicht und wurden durch den in der Nobilität verkörperten Staatsgedanken zusammengefaßt und wirksam gemacht, bis deren innere Form zerfiel und beide Tendenzen feindselig auseinandertraten. Der erste Punische Krieg war ein Handelskrieg und gegen die Interessen der Landwirtschaft gerichtet, weshalb der Konsul Appius Claudius, ein Nachkomme des großen Zensors, die Entscheidung 264 den Zenturiatkomitien vorlegte. Die Eroberung der Poebene seit 225 dagegen lag im Interesse der Bauernschaft und wurde durch den Tribun C. Flaminius, die erste wirklich cäsarische Erscheinung Roms, den Erbauer der Via Flaminia und des Circus Flaminius, in den Tributkomitien durchgesetzt. Aber gerade weil er in Verfolgung dieser Politik als Zensor von 220 den Senatoren Geldgeschäfte verbot und gleichzeitig die altadligen Rittercenturien der Plebs zugänglich machte, was in Wirklichkeit nur dem neuen Geldadel aus der Zeit des ersten Punischen Krieges zugute kam, ist er ganz gegen seinen Willen der Schöpfer einer
als Stand organisierten Hochfinanz
geworden, eben der
equites
, welche ein Jahrhundert später der großen Zeit der Nobilität ein Ende gemacht haben. Von da an – seit dem Siege über Hannibal, gegen den Flaminius fiel – wird das Geld auch für die Regierung das letzte Mittel, um ihre Politik fortzusetzen, die letzte wirkliche Staatspolitik, die es in der Antike gab.
    Als die Scipionen und ihr Kreis aufgehört hatten, die leitende Macht zu sein, gab es nur noch eine Privatpolitik von Einzelnen, die rücksichtslos ihr Interesse verfolgten und für die der
orbis terrarum
eine willenlose Beute war. Wenn Polybios, der jenem Kreis angehörte, in Flaminius einen Demagogen und den Urheber des ganzen Unglücks der Gracchenzeit sah, so irrte er sich vollkommen in dessen Absichten, aber nicht in der Wirkung. Flaminius hat ebenso wie der ältere Cato, der mit dem blinden Eifer des Bauernführers den großen Scipio um seiner Weltpolitik willen stürzte, das Gegenteil von dem erreicht, was er wollte. An Stelle des führenden Blutes trat das Geld, und das Geld hat in weniger als drei Generationen den Bauernstand vernichtet.
    Wenn es inmitten der antiken Völkerschicksale ein unwahrscheinlicher Glücksfall war, daß Rom als der einzige Stadtstaat die soziale Revolution in fester Verfassung überstand, so war es im Abendlande mit seinen auf die Ewigkeit gegründeten genealogischen Formen fast ein Wunder, daß doch an einem Ort eine gewaltsame Revolution zum Ausbruch kam, in Paris. Nicht die Stärke, sondern die Schwäche des französischen Absolutismus ist es gewesen, welche hier die englischen Ideen in Verbindung mit der Dynamik des Geldes zu einer Explosion führte, die den Schlagworten der Aufklärung eine lebendige Gestalt gab, die Tugend mit dem Schrecken, die Freiheit mit der Despotie verband und noch in den kleinen Bränden von 1830 und 1848 und in der sozialistischen Katastrophensehnsucht nachwirkte. [Und selbst in Frankreich, wo der Richterstand in den Parlaments die Regierung offen verhöhnte, sogar ungestraft königliche Verfügungen von den Mauern reißen und eigne
arrêts
an ihre Stelle kleben ließ (R. Holtzmann, Franz. Verfassungsgeschichte [1910], S. 353), wo

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