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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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der
Transformation von Gruppen
von entscheidender Bedeutung und der Musiker wird bestätigen, daß analoge Bildungen einen wesentlichen Teil der neueren Kompositionslehre ausmachen. Ich erinnere nur an eine der feinsten instrumentalen Formen des 18. Jahrhunderts, das »tema con variazioni«.
    Jede Proportion setzt die Konstanz, jede Transformation die Variabilität der Elemente voraus: man vergleiche hier die Kongruenzsätze in der Fassung Euklids, dessen Beweis tatsächlich auf dem vorliegenden Verhältnis 1:1 beruht, mit deren moderner Ableitung mit Hilfe von Winkelfunktionen.
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    Die
Konstruktion
– die im weiteren Sinne alle Methoden der elementaren Arithmetik einschließt – ist das A und O der antiken Mathematik: die Herstellung einer einzelnen und sichtbar vorliegenden Figur. Der Zirkel ist der Meißel dieser zweiten bildenden Kunst. Die Arbeitsweise bei funktionentheoretischen Untersuchungen, deren Zweck kein Resultat vom Charakter einer Größe, sondern die Diskussion allgemeiner formaler Möglichkeiten ist, läßt sich als eine Art Kompositionslehre von naher Verwandtschaft zur musikalischen bezeichnen. Eine ganze Reihe von Begriffen der Musiktheorie ließe sich ohne weiteres auf analytische Operationen auch der Physik anwenden – Tonart, Phrasierung, Chromatik und andere – und es ist die Frage, ob nicht manche Beziehungen dadurch an Klarheit gewinnen würden.
    Jede
Konstruktion
bejaht, jede
Operation
verneint den Augenschein, indem jene das optisch Gegebene herausarbeitet, diese es auflöst. So erscheint ein weiterer Gegensatz in den beiden Arten des mathematischen Verfahrens: die antike Mathematik des Kleinen betrachtet den konkreten
Einzelfall
, berechnet die
bestimmte
Aufgabe, führt die
einmalige
Konstruktion aus. Die Mathematik des Unendlichen behandelt
ganze Klassen
formaler Möglichkeiten,
Gruppen
von Funktionen, Operationen, Gleichungen, Kurven, und zwar überhaupt nicht hinsichtlich irgendeines Resultates, sondern hinsichtlich ihres Verlaufes. Es ist so seit zwei Jahrhunderten – was den Mathematikern der Gegenwart kaum zum Bewußtsein kommt – die
Idee einer allgemeinen Morphologie mathematischer Operationen
entstanden, welche man als den eigentlichen Sinn der gesamten neueren Mathematik bezeichnen darf. Es offenbart sich hier eine umfassende Tendenz abendländischer Geistigkeit überhaupt, die im folgenden immer deutlicher werden wird, eine Tendenz, die ausschließlich Eigentum des faustischen Geistes und seiner Kultur ist und in keiner andern verwandte Absichten findet. Die große Mehrzahl der Fragen, welche unsere Mathematik als deren eigenste Probleme beschäftigen – der Quadratur des Kreises bei den Griechen entsprechend –, wie die Untersuchung der Konvergenzkriterien unendlicher Reihen (Cauchy) oder die Umkehrung elliptischer und allgemein algebraischer Integrale zu mehrfach periodischen Funktionen (Abel, Gauß) wäre den »Alten«, die einfache bestimmte Größen als Resultate suchten, vermutlich als eine geistreiche, etwas abstruse Spielerei erschienen – was dem populären Urteil weiter Kreise auch heute durchaus entsprechen würde. Es gibt nichts Unpopuläreres als die moderne Mathematik, und auch darin liegt ein Stück Symbolik der unendlichen Ferne, der
Distanz. Alle
großen Werke des Abendlandes von Dante bis zum Parsifal sind unpopulär, alle antiken von Homer bis zum pergamenischen Altar sind populär im höchsten Grade.
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    Und so sammelt sich endlich der ganze Gehalt des abendländischen Zahlendenkens
in dem klassischen Grenzproblem der faustischen Mathematik
, das den Schlüssel zu jenem schwer zugänglichen Begriff des Unendlichen – des
faustisch Unendlichen
– bildet, welches von der Unendlichkeit des arabischen und indischen Weltgefühls weit entfernt bleibt. Es handelt sich um die
Theorie des Grenzwertes
, möge die Zahl im einzelnen als unendliche Reihe, Kurve oder Funktion aufgefaßt werden. Dieser Grenzwert ist das strengste Gegenteil des antiken, bisher nicht so genannten, der in dem klassischen Grenzproblem der Quadratur des Kreises zur Diskussion stand. Bis ins 18. Jahrhundert haben euklidisch-populäre Vorurteile den Sinn des Differentialprinzips verdunkelt. Man mag den zunächst naheliegenden Begriff des unendlich Kleinen noch so vorsichtig anwenden, es haftet ihm ein leichtes Moment antiker Konstanz an, der
Anschein
einer Größe, wenn auch Euklid sie als solche nicht erkannt, anerkannt haben würde. Die Null ist eine Konstante, eine ganze Zahl im

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