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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Laurus?« Die Worte waren ihm in einem fast ungläubigen Ton herausgerutscht, aber
Elena lachte nur laut auf.
»Auch wenn man es nicht für möglich hält, aber Laurus weiß tatsächlich, was dieses Wort bedeutet«,
sagte sie. »Er ist kein schlechter Mensch. Ganz im Gegenteil. Nur ist er manchmal ein wenig
aufbrausend.«
Andrej schwieg dazu und betrachtete ein paar Sekunden lang aufmerksam ihr Gesicht. Wie allen anderen
war er auch ihr den ganzen Tag über aus dem Weg gegangen und hatte sie seit gestern nicht mehr gesehen.
Er hatte befürchtet, dass ihr Auge angeschwollen oder zumindest verfärbt war, aber er entdeckte nicht
mehr die mindeste Spur des Schlages, den Laurus ihr gestern Abend versetzt hatte. Offensichtlich war er
doch nicht so heftig gewesen, wie es im ersten Moment schien.
Schließlich schüttelte er den Kopf. »Ich bleibe heute lieber hier.
Ich muss über eine Menge nachdenken.«
»Du warst gestern Abend noch einmal bei Anka«, sagte Elena plötzlich.
Andrej seufzte. »Und ich dachte, ich wäre leise gewesen.«
»Das warst du«, beruhigte ihn Elena. »Aber dieses Lager ist zu klein für jedes noch so gut gehütete
Geheimnis. Es sei denn«, fügte sie leise hinzu, »ich will es anders.« Andrej wollte diese Bemerkung lieber
nicht verstehen. Er hielt ihrem Blick noch einen Moment lang Stand, dann räusperte er sich unbehaglich
und verschränkte die Arme vor der Brust. Elena sagte nichts, aber er hatte das Gefühl, dass das amüsierte
Funkeln in ihren Augen heller glomm.
»Ich … danke dir, dass du mir die Lampe gebracht hast«, sagte er. »Aber jetzt…«
»Ja?«
»Man … wird dich sicher schon vermissen«, sagte er nervös und ohne Elena direkt ins Gesicht zu sehen.
»Wenn so viele Gäste kommen, wird doch sicher jede Hand gebraucht.«
»Ich habe gesagt, dass ich nach Anka sehe«, antwortete Elena.
Sie kam näher. Ganz plötzlich fiel Andrej auf, dass ihr Duft den engen Wagen erfüllte wie ein schweres,
fast schon betäubendes Duftwasser, und wie enervierend das leise Knistern war, mit dem ihr Haar über
den Stoff ihres Kleides strich.
»Elena«, sagte er, »wir sollten -«
»Was?«
Ihre Lippen berührten sacht sein Gesicht. Es war nur ein Hauch, aber selbst der war schon zu viel. Da war
noch immer ein winziger Rest von Verstand in Andrej, der ihm zuschrie, dass er dabei war, einen
gewaltigen, vielleicht nicht wieder gutzumachenden Fehler zu begehen, aber die schiere Explosion von
sinnlicher Energie, die die flüchtige Berührung ihrer Lippen in ihm auslöste, fegte die Stimme der
Vernunft davon. Statt sich zu wehren oder sie von sich zu stoßen, schloss er die Frau in seine Arme und
presste seine Lippen so fest auf die ihren, dass es schon fast wehtat.

ACHTES KAPITEL
    Zum ersten Mal im Leben war er nach dem Liebesakt sofort eingeschlafen.
Bisher hatte er nur davon gehört, meist von Frauen, ein paar Mal aber auch von Männern, und er hatte es
nie wirklich verstanden - er selbst hatte sich nach dem Beischlaf niemals müde oder gar ausgelaugt
gefühlt, sondern frisch und mit neuer, manchmal fast unbändiger Energie erfüllt, während er es gewohnt
war, dass die Frauen in seinen Armen einnickten; manchmal für lange Zeit, und manchmal so tief, dass er
sich erschrocken gefragt hatte, ob sie überhaupt noch am Leben waren.
Als er noch sehr jung gewesen war, hatte er sich ernsthaft eingebildet, es läge daran, dass er ein so viel
besserer Liebhaber sei als die anderen Männer, doch das war nicht der wirkliche Grund. Die eine oder
andere Frau hatte ihn von dieser Illusion befreit, und er hatte sich auch schon mit eigenen Augen davon
überzeugen können, dass es durchaus Männer gab, die sich in Bezug auf Ausdauer und Fantasie mit ihm
messen konnten. Vielleicht hatte es etwas mit seiner besonderen Gabe zu tun. Vielleicht nahm er den
Frauen, mit denen er schlief, mehr als sie ahnten. Er hatte nie versucht, eine Antwort auf diese Frage zu
finden, und wozu auch?
Keine hatte sich je beschwert, keine hatte je Schaden genommen, und er hatte stets das sichere Gefühl
gehabt, dass er den Frauen nicht nur mehr nahm als sie ahnten, sondern zugleich auch etwas gab, was sie
von einem sterblichen Mann niemals erwarten konnten.
Jetzt erwachte er vollkommen verwirrt, tief in der Nacht, und mit einem Gefühl so absoluter Erschöpfung,
dass es ihm schon schwer fiel, die Augen zu öffnen. Seine Glieder fühlten sich an wie Blei, und sein Herz
schlug schwerfällig, wie gegen einen zähen Widerstand ankämpfend.
Andrej

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