Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
sprechen«, sagte der Krämer. »Ich will meine Ware zurück. Oder mehr
Geld.«
»Geld.« Andrej ging langsam um den Wagen herum. Die beiden Jungen hatten die Sachen, die sie am
Morgen bei ihrem Vater erstanden hatten, bereits herausgesucht, aber noch nicht abgeladen. Der ältere der
beiden wich einen halben Schritt zurück, während der andere stehen blieb und die Arme vor der Brust
verschränkte. Aber Andrej sah ihm an, wie schwer es ihm fiel, bedrohlich auszusehen.
»Wieso Geld? Ihr habt den vereinbarten Preis erhalten, soviel ich weiß.«
»Den vereinbarten Preis?«, ereiferte sich der Krämer. »Gewiss! Aber viel zu wenig! Bei dem Handel zahle
ich drauf!«
Das hatte sich Andrej schon gedacht. Dennoch zuckte er gleichmütig mit den Schultern. »Niemand hat
Euch gezwungen, den Preis zu akzeptieren«, sagte er. »Ich war dabei. Es war ein ehrlicher Handel.«
»Ehrlich? Papperlapapp!« Der Krämer machte eine zornige Geste. »Verzaubert hat sie mich, diese Hexe.
Ich wusste nicht, was ich tat!«
»Diesen Eindruck hatte ich nicht«, erwiderte Andrej. Er ging noch zwei Schritte weiter und blieb erneut
stehen, als er die Furcht der beiden jungen Männer spürte. Sie waren keine Gegner für ihn, aber
Menschen, die Angst hatten, neigten zu unüberlegten Handlungen, und er hatte wenig Lust, hier einen
Kampf heraufzubeschwören.
»Kein Kaufmann gibt seine Ware noch unter dem Einstandspreis her«, lamentierte der Krämer. »Und ich
hab das auch noch nie zuvor getan! Sie hat mich verhext!«
»Vielleicht seid Ihr ja einfach ihren schönen Augen erlegen«, bemerkte Andrej. »Das soll schon so
manchem passiert sein.«
»Es war Hexerei!«, beharrte der Krämer. Er griff in die Tasche und zog eine Hand voll Kupfermünzen
heraus. »Hier. Ich gebe Euch Euer Geld zurück und nehme dafür meine Waren wieder mit. Oder Ihr zahlt,
was sie wirklich wert sind!«
»Bedaure, ich fahre nur den Wagen«, sagte Andrej. »Ich kann das nicht entscheiden. Aber ich kann gerne
hineingehen und Elena holen, wenn Ihr mit ihr sprechen wollt.«
»Ich will diese Hexe nicht mehr sehen!«, rief der Krämer aufgebracht. War das Angst in seiner Stimme?
»Ich will mehr Geld oder meine Waren zurück, und das sofort!«
Andrej spürte die Veränderung, die mit dem Mann vor sich ging.
Der Kaufmann war keineswegs mutiger geworden, aber sein herausfordernder Ton und sein
entschlossenes Auftreten hatten ihn zu einem Punkt geführt, an dem es für ihn kein zurück mehr gab.
Wenn er, Andrej, ihm nicht die Möglichkeit gab, in Gegenwart seiner Söhne das Gesicht zu wahren,
konnte die Sache übler ausgehen, als es den Beteiligten lieb war. »Ich bitte Euch«, sagte Andrej ruhig und
lächelte milde. »Es ist für einen Mann keine Schande, zuzugeben, dass er einer schönen Frau erlegen ist.
Lasst uns hineingehen und in Ruhe über alles reden.«
»Ich will die Hexe nicht mehr sehen!«, beharrte der Krämer.
»Dann wird es schwierig«, antwortete Andrej.
»Vielleicht kann ich den Herren behilflich sein?«
Andrej drehte sich nicht sofort um, sondern verwandte einen Augenblick darauf, die Reaktionen auf den
Gesichtern seiner Gegenüber auf die Stimme zu beobachten, die plötzlich hinter ihnen laut geworden war.
Was er sah, sprach Bände: Die Mienen der beiden Jungen wirkten gleichermaßen erschrocken wie
erleichtert, während ihr Vater irgendwie bestürzt aussah. Andrej wandte sich um und maß den
Neuankömmling mit einem aufmerksamen Blick.
Er war nicht einmal überrascht, einen hoch aufgeschossenen, hageren Mann in einer schlichten braunen
Mönchskutte zu erblicken. Nichts an dem Geistlichen war auffällig, abgesehen vielleicht von seinen
Augen, die sich bemühten, freundlich in die Welt zu blicken, an deren Grund jedoch Misstrauen und
Bitterkeit lauerten. Andrej spürte, dass von diesem Mann keine unmittelbare Gefahr ausging, er aber
dennoch gut beraten war, sich jedes weitere Wort genau zu überlegen.
»Bruder Flock!« Der Krämer begann, unbehaglich von einem Fuß auf den anderen zu treten und wusste
plötzlich nicht mehr, wohin mit seinem Blick. »Wir haben … nur eine kleine Meinungsverschiedenheit.«
Der Mann in der Mönchskutte runzelte die Stirn, was sein Gesicht ernsthafter und älter erscheinen ließ.
Kurz maß er den Krämer mit einem durchdringenden Blick, dann beugte er den Körper und sah Andrej an.
Schließlich räusperte er sich und sagte: »Das sah mir aber gar nicht danach aus. Wer seid Ihr?«
»Mein Name ist Andreas«, antwortete Andrej. »Andreas

Weitere Kostenlose Bücher