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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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musterte den
grauhaarigen Burschen, der ihm gegenübersaß und mit dem sie verhandelten. In den letzten Minuten hatte
sich die Farbe seines Gesichts zunehmend der des struppigen Haars angepasst, von dem es eingerahmt
wurde. Der Ausdruck in den von Falten belagerten Augen grenzte an blankes Entsetzen.
»Eine Wagenladung Mehl«, sagte Elena zum wiederholten Mal mit unschuldigem Lächeln. »Dreißig
Säcke, beste Qualität. Und Ihr liefert sie bis spätestens morgen Abend in unser Lager. Das ist mein
Angebot.« Sie machte eine Kopfbewegung auf die perfekt ausgerichtete Reihe blitzender Kupfermünzen,
die sie vor sich auf der Tischplatte ausgelegt hatte.
Der graugesichtige Bäcker fuhr sich mit dem Handrücken übers Kinn. Er hatte sich gut genug in der
Gewalt, um die Geldstücke nicht gierig anzustarren. »Dabei komme nicht einmal ich auf meine Kosten!«,
jammerte er. »Ich muss einen Wagen zur Mühle hinausschicken und einen Mann abstellen, vielleicht sogar
zwei, und das für einen ganzen Tag.«
»Wir können auch selbst zum Müller fahren und mit ihm verhandeln«, unterbrach ihn Elena, während sie
bereits die Hand nach den Geldstücken ausstreckte. »Dann verdient Ihr allerdings nichts dabei.«
»Warte!«, sagte der Bäcker hastig. Elenas Hand schwebte reglos über den Münzen. Sie lächelte ihr
Gegenüber fragend an. »Also gut«, murrte der Bäcker schließlich. »Aber die Anlieferung kostet extra,
sonst zahle ich drauf.«
Was er Andrejs Meinung nach ohnehin schon tat. Die Summe, die Elena vor sich auf dem Tisch abgezählt
hatte, erschien ihm viel zu niedrig - wie Elena an diesem Vormittag überhaupt alles erstaunlich günstig
erstanden hatte. Hätte er auf der anderen Seite des Tisches gesessen, so wäre er längst aufgestanden und
gegangen.
»Nein«, antwortete Elena. »Meine Kasse gibt leider nicht mehr her.«
Der Bäcker blinzelte.
»Und Ihr wollt doch nicht, dass mein Mann mich schlägt, weil ich zu viel Geld ausgegeben habe, oder?«,
fuhr sie fort. »Aber ich mache Euch einen anderen Vorschlag: Warum liefert Ihr die Ware nicht selbst
aus? Auf diese Weise spart Ihr die Kosten für den Fahrer, und Ihr könntet Eure Frau mitbringen und Eure
Kinder, falls Ihr welche habt, um den Abend bei uns zu verbringen. Wir führen ein Schauspiel auf, und wir
haben einen Schwertschlucker und Jongleure … Es wird Euch gefallen.«
Etliche Sekunden starrte der Bäcker Elena durchdringend an, und er machte dabei ein Gesicht, als würden
ihm glühende Nadeln unter die Fingernägel getrieben. Dann konnte Andrej fühlen, wie sein Widerstand
brach.
»Also gut«, seufzte er. »Ich weiß zwar selbst nicht, warum ich das tue, aber wir sind uns einig.« Er stand
auf und wollte sich gerade über den Tisch beugen, um das Geld einzustreichen, als Elena den Kopf
schüttelte und die Münzen so schnell in ihrem Geldbeutel verschwinden ließ, als hätte sie sie
weggezaubert.
»Zahlung bei Lieferung«, sagte sie. »Geld gegen Ware, so ist es doch bei Euch üblich, oder?«
In den Augen des Bäckermeisters blitzte für einen Moment die Wut auf, und Andrej spannte sich
instinktiv. Aber der Zorn verrauchte so schnell, wie er gekommen war.
»Verdammtes Zigeunerpack!«, stieß er zwischen den Zähnen hervor. Aber es war eher ein Ausdruck von
Hilflosigkeit als eine Beleidigung. Wieder starrte er Elena einen Moment lang an, dann fuhr er auf dem
Absatz herum und stürmte aus dem Gasthaus, als wären sämtliche Dämonen des Fegefeuers hinter ihm
her. Andrej blickte ihm kopfschüttelnd nach.
»Beinahe könnte er einem ja leid tun«, sagte er.
Elena lachte. »Er ist ein Dummkopf. Dummköpfe tun mir nicht leid.« Sie hob die Hand und winkte den
Wirt heran. »Noch zwei Becher Bier!«
»Haben wir etwas zu feiern?«, erkundigte sich Andrej.
»Ein gutes Geschäft«, erwiderte Elena. »Ich hab kaum die Hälfte von dem ausgegeben, was mit Laurus
abgesprochen war. Das könnte man einen Grund zum Feiern nennen, oder?«
Andrej nickte, sagte aber trotzdem: »Wieso kann ich mich des Eindruckes nicht erwehren, dass du immer
so gute Geschäfte abschließt?«
»Vielleicht, weil ich eine gute Händlerin bin?«, schlug Elena vor. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
»Das bist du zweifellos.« Andrej setzte eine nachdenkliche Miene auf. »Ich frage mich nur, was ich hier
soll. Ich werde niemals so gut sein wie du. Ich glaube, niemand kann das.«
»Unsinn!«, widersprach Elena lachend. »Sieh zu und lerne.
Und bis es so weit ist, kann ich mich wenigstens sicher

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