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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Anka
vorgefallen?«
Basons Lächeln erlosch endgültig. Einen Moment lang war Andrej fest davon überzeugt, dass der Junge
sich nun abwenden und gehen würde, dann aber seufzte er leise. »Er gibt ihr die Schuld am Tod seiner
Mutter, glaube ich.«
»Und?«, fragte Andrej. »Ist es wahr?«
»Das kommt ganz darauf an, von welchem Standpunkt aus man es betrachtet«, antwortete Bason. »Von
seinem aus, ja. Aber wenn du mehr wissen willst, dann frag ihn lieber selbst. Ich meine, am besten fragst
du ihn natürlich nicht, aber du kommst mir nicht vor wie jemand, der auf gut gemeinte Ratschläge hört,
stimmt’s?«
Andrej lachte nur leise und überließ es Bason, die rechte Antwort herauszuhören. Ganz bestimmt würde er
nicht noch Tage oder gar Wochen warten, bis es ihm vielleicht gelungen war, Laurus’ Vertrauen zu
erringen. Und spätestens die Ereignisse des vergangenen Abends hatten ihm klar gemacht, dass Abu Dun
zumindest in einem Punkt Recht hatte: Sie konnten nicht mehr lange hier bleiben. Und möglicherweise
hätten sie niemals hierher kommen sollen.
»Kann ich dich um einen Gefallen bitten?«, fragte er.
»Du kannst um alles bitten«, antwortete Bason.
»Aber ob du diese Bitte erfüllst, steht auf einem anderen Blatt, ja, ich weiß«, erwiderte Andrej in leicht
ungeduldigem Ton, der aber nichts an Basons neuerlichem, ebenso unerschütterlichem wie
unverschämtem Grinsen änderte. »Du scheinst weniger Probleme mit Anka zu haben als Laurus. Geh’ und
frage sie, ob ich noch einmal mit ihr reden kann. Heute oder morgen.«
»Davon wird Laurus aber nicht begeistert sein.«
»Er muss es nicht erfahren.«
»Davon wird er noch viel weniger begeistert sein«, meinte Bason. Er sah Andrej einen Moment lang
prüfend an, blickte dann zur Bühne hoch und schließlich wieder in Andrejs Gesicht. Und Andrej ahnte,
was nun kam, noch ehe Bason es aussprach. »Ich könnte dir ein Geschäft vorschlagen, Andreas. Du
spielst eine Rolle in meinem Stück, und dafür arrangiere ich ein Treffen zwischen dir und Anka.«
»Selbst, wenn ich es wollte, hätte es wenig Sinn«, antwortete Andrej. »Abu Dun und ich werden nicht sehr
lange bei euch sein.«
»Du meinst, ihr werdet gehen, sobald du noch einmal mit der Puuri Dan gesprochen hast? Wenn das so ist,
warum sollte ich dir dann zu diesem Gespräch verhelfen?«
»Vielleicht, weil ich dich darum bitte?«
Bason tat so, als müsse er einen Moment angestrengt über diese Worte nachdenken. Dann nickte er. »Ja.
Das ist ein Grund. Ich werde darüber nachdenken. Und du über meinen Vorschlag?«
Ob Andrej wollte oder nicht - plötzlich musste er über die Hartnäckigkeit des jungen Sinti lachen.
»Darüber nachdenken, ja«, sagte er. »Aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass ich es tue.«
»Wir werden sehen«, sagte Bason. »Und um dich vielleicht etwas milder zu stimmen, Andreas, habe ich
jetzt noch eine Überraschung für dich.«
Andrej war nie besonders erpicht auf Überraschungen gewesen, aber Basons Worte weckten seine
Neugier. Er sagte nichts, und der Junge ließ ihn natürlich eine kleine Ewigkeit zappeln, ehe er sich in
Bewegung setzte. »Komm mit!«
Sie erkämpften sich mit einiger Mühe einen Weg durch die Menge, die noch immer lachend und johlend
zusah, wie der riesige Nubier unter den angedeuteten Hieben der Holzschwerter zurückwich und wankte,
sich aber schlichtweg weigerte, umzufallen. Dann beschleunigte Bason seinen Schritt. Nicht sehr, aber
gerade rasch genug, dass Andrej sich sputen musste, um nicht zurückzufallen, und damit keine
Gelegenheit zu bekommen, weitere Fragen stellen zu können.
Sie steuerten einen Wagen an, der ganz an dem Honsen zugewandten Ende des Lagers stand. Schon aus
der Entfernung fiel Andrej auf, wie alt und heruntergekommen das Gefährt war.
Die Farbe war abgeblättert und so verblichen, dass das Ganze zu einem unansehnlichen Schmutzgrau
geworden war, und sowohl die Deichsel als auch die Räder hatten dringend eine Überholung, besser gleich
eine Erneuerung, nötig. Die dreisprossige Treppe, die zur Tür hinauf führte, war zerbrochen, sodass Bason
eine kurze Kletterpartie einlegen musste, um den Wagen zu öffnen, und als er das tat, schlug ihnen ein
Schwall trockener, muffig riechender Luft entgegen, die Andrej im ersten Moment den Atem verschlug.
Bason verschwand im Wagen, und einen Moment später wurden die beiden hölzernen Läden von innen
aufgestoßen; einer davon vielleicht ein bisschen zu heftig, denn er riss aus den Angeln und zerbrach,

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