Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
aufzustehen.«
»Das ist keine gute Idee«, sagte Andrej ernst. »Ihr habt eine Menge Blut verloren, und ich weiß nicht,
welche Verletzungen Ihr darüber hinaus erlitten habt. Lasst mich Euch tragen. Es macht mir nichts aus.«
Doch Flock blieb bei seiner Weigerung und setzte sich umständlich auf, wie um seine Behauptung unter
Beweis zu stellen.
»Es geht schon«, murmelte er. »Helft mir auf, das ist alles.«
»Aber -«
»Ich bitte Euch, Andreas, erspart mir diese neuerliche Demütigung«, murmelte Flock. »Es sind doch nur
wenige Schritte.«
Andrej zögerte, entschied dann aber zu tun, was Flock verlangte.
So stand er auf, ergriff die Hand des Paters und zog ihn unsanfter in die Höhe als nötig. Flock keuchte vor
Schmerz und wäre sofort wieder gestürzt, hätte Andrej nicht rasch mit der anderen Hand zugegriffen.
Erneut schüttelte Flock unwillig den Kopf und blieb schwer atmend stehen, bis er wieder halbwegs zu
Kräften gekommen war.
Andrej verschränkte die Arme vor der Brust, und sowohl das, was er sah, als auch sein Verstand sagten
ihm, dass er sich diesen jungen Narren wie einen Sack Kartoffeln über die Schulter werfen und ins Lager
tragen sollte, egal, wie laut Flock auch protestierte. Stattdessen legte er sich lediglich den Arm des
Geistlichen um die Schultern und setzte sich langsam in Bewegung. Flock humpelte neben ihm her und
stöhnte bei jedem Schritt, fand aber dennoch die Kraft, einen Fuß vor den anderen zu setzen und sich
nicht einmal übermäßig Schwer auf Andrej zu stützen.
Sie verließen den Wald und bewegten sich in gerader Linie auf das Zigeunerlager zu, das keine hundert
Schritte entfernt war.
Zweifellos musste man sie im selben Moment entdeckt haben, in dem sie aus dem Schutz der Bäume
getreten waren, doch niemand kam ihnen entgegen, und auch sonst änderte sich nichts am gewohnten
Anblick des aus Wagen und Zelten zusammengestellten Lagers.
Andrej fragte sich, ob Abu Dun bereits dort eingetroffen war, vermutete aber das Gegenteil. Wie er den
Nubier einschätzte, war der mitnichten auf kürzestem Wege zurückgegangen, sondern hatte sich erst in die
entgegengesetzte Richtung gewandt, um die Pferde zu holen, und vermutlich würde es ihm sogar gefallen,
möglichst lange für den Weg zu brauchen, ja, vielleicht sogar erst nach ihnen dort einzutreffen.
Sie hatten gut die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als Flock heftig die Luft zwischen den Zähnen einsog
und ihn bat, einen Moment stehen zu bleiben. Andrej tat schweigend wie ihm geheißen. Er war das
Theater gründlich leid. Sicher, angesichts seines Zustandes hielt sich Flock besser als er erwartet hätte,
aber der Moment, in dem Tapferkeit in Unvernunft umschlug, war fast erreicht. Und auch wenn er Flock
nicht besonders ins Herz geschlossen hatte, würde er doch nicht tatenlos zusehen, wie dieser junge Narr
ein Opfer seines Stolzes wurde.
»Ich brauche nur … eine Minute«, stammelte Flock. »Ich habe Schmerzen.«
»Ihr haltet Euch gut«, antwortete Andrej fast gegen seinen Willen.
»Ihr seid ein Schmeichler, Andreas, aber ich weiß es zu schätzen«. Flock versuchte ein Lächeln, das
gründlich misslang.
Andrej schüttelte heftig den Kopf. »Ich meine das ernst«, sagte er. Und in diesem Moment war es auch die
Wahrheit. »Ich habe härtere Männer als Euch unter weniger zusammenbrechen sehen.
Ruht Euch nur einen Moment aus.«
»Das werde ich«, versprach Flock. »Aber ich … ich habe aus einem anderen Grund um diese Pause
gebeten.«
»Ja?«
Flock wich seinem Blick aus als er weitersprach, und er rang sichtlich um die rechten Worte. »Euer
muselmanischer Freund, Andreas.«
»Abu Dun.«
»Abu Dun, ja.« Flock nickte. »Er hatte Recht.«
»Womit?«
»Ich war nicht zufällig dort im Wald. Und ich habe mich natürlich auch nicht verirrt.«
»Sondern?«
»Ich bin … ich habe absichtlich einen Umweg gemacht«, gestand Flock. »Ich wollte euer Lager
beobachten, bevor ich es betrete. Ich … ich dachte, dass ich vielleicht irgend etwas sehe.«
»Irgend etwas?«
Flock schien sich unter seinem Blick regelrecht zu winden, und Andrej spürte, dass ihm das, was er zu
sagen hatte, mindestens ebenso große Qual bereitete wie seine körperlichen Schmerzen. »Es ist… etwas
geschehen. Heute Nacht.«
»Und was?«
Flock atmete schwer ein, bracht irgendwie die Kraft auf, Andrej einen Moment lang in die Augen zu
blicken, und starrte dann unbehaglich abwechselnd vom Boden zum Waldesrand. Andrej vermutete, dass
es ihm gleich war, wohin er seinen Blick

Weitere Kostenlose Bücher