Der Untergang
bewegen. Ihr seid schwer verletzt. Ich bringe Euch zu einem
Arzt.«
»Nein«, sagte Flock. »Bringt Euch in Sicherheit. Sie werden wiederkommen. Sie werden Euch umbringen.
Sie sind Dämonen. Der Teufel hat sie geschickt!«
»Es ist alles in Ordnung«, sagte Andrej zum wiederholten Mal.
Natürlich entsprach das nicht der Wahrheit. Nichts war in Ordnung. Nicht der Zustand, in dem sich der
junge Geistliche befand, und schon gar nicht die Umstände, unter denen er diese Verletzungen erlitten
hatte. Er schloss für einen Moment die Augen, lauschte in sich hinein und versuchte nach dem bösartigen
fremden Geist zu tasten, dessen Gegenwart er eben noch so deutlich gefühlt hatte. Aber da war nichts
mehr. Das einzige Leben, was er spürte, war das Flocks und Abu Duns.
Wie aufs Stichwort hörte er neben sich das Geräusch brechender Zweige, dann trat der Nubier aus dem
Unterholz auf die Lichtung. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck maßloser Enttäuschung. Noch immer
hielt er den Krummsäbel in beiden Händen, doch die Klinge war blank. Mit einem zornigen Schritt trat er
heran und rammte den Säbel nur eine Handbreit neben der Schulter des Geistlichen in den Boden. Er sagte
nichts, sondern warf Andrej nur einen wütenden Blick zu.
Sie sind entkommen!
Sei froh! , signalisierte ihm Andrej auf die gleiche Weise und wandte sich erneut an Flock.
»Es ist alles gut«, sagte er noch einmal. »Abu Dun und ich .
werden Euch zu einem Arzt bringen. Versucht nicht, zu reden.«
»Was ist hier passiert?«, wollte der Freund wissen. Er maß Flock mit einem argwöhnischen Blick und
hockte sich dann neben ihn, die linke Hand auf den Griff des Krummsäbels gestützt. »Was hattet Ihr hier
zu suchen?«
»Ich … ich war hier, und … und plötzlich … plötzlich waren sie da«, stammelte Flock. Sein Blick begann
wieder zu flackern, und sein Atem ging schneller. Andrej, der immer noch die Handgelenke des
Geistlichen umfasst hielt, spürte, wie der Puls zu rasen begann, und er warf Abu Dun einen mahnenden
Blick zu. Jetzt war nicht der Moment, Fragen zu Stellen. Der Zustand des jungen Paters schien ernster, als
er bisher angenommen hatte.
Ungeachtet dessen herrschte ihn Abu Dun in einem Ton an, der alles andere als freundlich oder gar
mitfühlend war: »Ihr wart hier? Einfach so? Mitten im Wald?«
»Ich … ich hatte mich verirrt«, nuschelte Flock. »Verirrt?« Abu Dun lachte. »Haltet mich nicht zum
Narren, Pfaffe! Niemand kann sich in diesem Wäldchen verirren, es sei denn, er wäre blind.«
»Abu Dun!«, ermahnte Andrej ihn scharf. »Nicht jetzt!«
»Ja, ja, nicht jetzt und auch nicht später, und am besten gar nicht!«, schnappte Abu Dun. Seine Augen
verengten sich zu Schlitzen, und für einen Moment war Andrej sicher, dass sich sein Zorn nun gegen ihn
richten würde - ein Zorn, der keinen anderen Grund hatte als den, dass ihm diese mörderischen Kinder
auch diesmal wieder entkommen waren. Begriff der Freund denn nicht, dass ihm dieser Umstand mit
einiger Wahrscheinlichkeit das Leben gerettet hatte?
»Das reicht jetzt!«, sagte Andrej, der allmählich wirklich zornig wurde. »Lauf voraus ins Lager und gib
Bescheid, dass wir kommen. Man soll heißes Wasser und Verbandszeug vorbereiten. Er verblutet.«
»Welch ein Verlust für die Menschheit«, bemerkte Abu Dun böse. Doch er erhob sich, verstaute seinen
Säbel und machte sich auf, das zu tun, worum er gebeten worden war nicht ohne Andrej einen letzten,
verächtlichen Blick zuzuwerfen. Verwirrt sah er dem Freund nach. Für den Moslem war der Geistliche so
etwas wie sein natürlicher Feind, und auch er selbst hatte der Kirche und allem, was damit zu tun hatte,
schon vor langer Zeit abgeschworen.
Dennoch erschien ihm Abu Duns unverhohlene Feindseligkeit gegenüber Pater Flock unangemessen.
Er wandte sich wieder dem Verletzten zu. Flock war wieder nach hinten gesunken, hatte die Augen
geschlossen und versuchte mit zusammengebissenen Zähnen, ein Stöhnen zu unterdrücken. Wenn man
bedenkt, dachte Andrej, was er gerade durchgemacht hat und wie schwer er verletzt ist, dann hält er sich
sehr tapfer. Aber er vermochte nicht vorauszusagen, wie lange diese Kraft noch vorhalten würde.
»Ich bringe Euch jetzt ins Lager«, sagte er. »Ich werde versuchen, Euch nicht weh zu tun, aber ich kann
es nicht versprechen.«
Er wollte gerade seine Arme unter Flocks Körper schieben, als der junge Priester fast erschrocken den
Kopf schüttelte.
»Ich kann gehen«, behauptete er. »Helft mir nur,
Weitere Kostenlose Bücher