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Der Untoten Zaehmung

Der Untoten Zaehmung

Titel: Der Untoten Zaehmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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größtenteils recht. Will sprach tatsächlich mit seinen Figuren. Allerdings antworteten ihm auch einige davon.
    Er kannte sie alle gut: die verschiedenen Heinrichs, Richard, Macbeth und seine verrückte Frau. Nun, da sie tot waren, wollte ihm jeder von ihnen seine Geschichte erzählen.
    Das machte ihm nichts aus, aber er musste auch an seine eigenen Geschichten denken. Allerdings war er in letzter Zeit kaum dazu gekommen. Nicht nur, dass seine Muse schwieg, seine verfluchten Geister waren ebenfalls verstummt. Er hatte sich zu fragen begonnen, ob einer von ihnen – Muse oder Geister – jemals wieder zurückkommen würde, und was er tun sollte, wenn dies nicht der Fall war. Vielleicht einfach in die Morgensonne spazieren?
    Trotz der Dunkelheit sah Will den Zombie ohne jede Schwierigkeit. Dies war nicht die gleiche Kreatur, die versucht hatte, Edmonds Kopf wie ein Ei aufzuschlagen, sondern eine so frische, dass sie noch sehr lebendig wirkte. Wegen des Taumelns und Stöhnens hätte man den Zombie leicht für ein Pestopfer halten können, was die meisten auch tun würden, aber Will wusste es besser.
    Während er sich beeilte, zu ihm aufzuholen, löste sich eine Gestalt aus den Schatten. Will ging in Position und erwartete, dass sie sich wie ein Zombie bewegen, so stöhnen und natürlich versuchen würde, ihn zu töten. Stattdessen schien der Neuankömmling zu schweben, anmutig wie ein Schwan auf dem königlichen Teich, schlank wie eines der Schilfrohre entlang des Ufers.
    Schwarze Kappe, schwarzes Wams, schwarze Hose, selbst schwarze Handschuhe – kein Wunder, dass Will den Knaben übersehen hatte. Der Bursche verschmolz besser mit der Nacht als Will.
    Er öffnete den Mund, um die zarte, schlanke Gestalt davor zu warnen, näher zu kommen. Aber das verräterische Geräusch eines Schwertes, das aus seiner Scheide gezogen wurde, ließ Will seinen Mund wieder schließen, so schnell, dass er sich fast seine Zunge abgebissen hätte.
    Will griff nach seinem eigenen Schwert, während er in die Gasse trat, und fluchte, als er es nicht fand. Er hatte seine Waffe im Theater gelassen.
    Auch wenn die meisten jungen Männer stets Schwert und Dolch bei sich trugen, besonders in Southwark, gehörte das nicht zu Wills Gewohnheit. Er hatte es nicht nötig. Will Shakespeare zu töten ging über die Fähigkeit der meisten Menschen hinaus.
    In Wills Gürtel steckte ein Dolch, mehr zum Schein als aus irgendeinem anderen Grund, aber er zog ihn nicht. Jemanden zu enthaupten war viel schwerer, als man denken könnte. Um einen Kopf von den Schultern zu trennen, nützte ein Dolch nur wenig.
    Aber Wills bloße Hände waren eine tödliche Waffe. Auch wenn er von Beruf Schauspieler und Autor war und daher nicht besonders stark zu sein schien, war Will fast ein ebensolches Monster wie das, dem er hierher gefolgt war. Dem Zombie den Kopf abzureißen würde eine einfache Aufgabe sein.
    Abscheulich und ekelhaft. Aber einfach.
    Allerdings musste Will beim Betreten der Gasse feststellen, dass er sich nicht hätte bemühen müssen. Asche schwebte dicht wie eine Heuschreckenplage durch die Luft.
    Will war beeindruckt, dass der Knabe den wandelnden Leichnam tatsächlich erledigt hatte. Er ging auf ihn zu und legte eine Hand auf die Schulter des Jungen. Er hätte es besser wissen sollen. Jeder, der mit den lebenden Toten zu tun hatte, war verständlicherweise übervorsichtig. Der Knabe stellte keine Ausnahme dar.
    Er wirbelte herum und schlitzte Wills Hals auf.

3
    »Mir gilt die Welt nur wie die Welt … Ein Schauplatz, wo man eine Rolle spielt,
und mein’ ist traurig.«
    Der Kaufmann von Venedig
(1. Akt, 1. Szene)
    I ch rannte über das Dach davon, als ob mir Zerberus auf den Fersen wäre.
    Lieber Gott, ich hatte jemanden umgebracht!
    Viele würden sagen, dass ich auch schon vorher getötet hatte, aber das glaubte ich nicht. Wenn ich einen Tibonage enthauptete, rettete ich ihn. Wie konnte man außerdem jemanden umbringen, der bereits tot war?
    Der Fremde in der Gasse jedoch …
    Ihn hatte ich getötet.
    Wenn man mich erwischte, würde ich gehängt werden oder Schlimmeres, und das durfte ich nicht zulassen. Nicht nur, weil ich meinen Hals so mochte, wie er war, sondern auch, weil ich eine Berufung hatte. Es gab nur wenige mit meinem Wissen und meinen Fähigkeiten. Wenn ich aufhörte, die Pflicht zu erfüllen, die mir auferlegt wurde, wäre England verdammt.
    Das Jagen hatte mich einst meine Amme gelehrt, mein Kindermädchen, meine Nounou . Sie war der

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