Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter
gut auf, weißt du doch. Warum, was hast du denn gehört?«
William zuckt mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich hör so manches. In letzter Zeit auch viel von Veränderungen. Da kommen wohl neue Leute in die Stadt.«
»Ist doch ständig so. Ich halt mich an die etablierten Leute.«
»Hm-hmm. Und die neuen haben’s auf die etablierten Leute abgesehen, da könntest du auf der falschen Seite landen. Pass einfach auf. Damit du von den Veränderungen nicht überrannt wirst.«
Es ist seltsam, seinen Bruder so reden zu hören. Er weiß, dass William sich um ihn Sorgen macht, genau wie er um seinen Bruder. Als Kinder standen sie sich nicht besonders nah. Calum hatte immer das Gefühl, seinem Bruder auf die Nerven zu gehen. Er wusste auch nicht genau, warum. Dann wurden sie erwachsen und stellten plötzlich fest, dass sie viel mehr gemeinsam hatten, als ihnen klar war. Es entstand eine Bindung. Nach dem Tod ihres Vaters wurde diese Bindung noch stärker. Beide fühlten sich verpflichtet, ihrer Mutter zu helfen, sich um sie zu kümmern. Sie war nicht gebrechlich, aber mit sechzig Jahren zum ersten Mal im Leben allein, und beide trugen ihren Teil dazu bei, es ihr leichter zu machen. Auf einmal verhielten sie sich so brüderlich wie noch nie. Das machte Williams Worte umso verstörender.
Sie reden nicht übers Geschäft. Nie. Über alles Mögliche, aber nicht übers Geschäft. Beide wissen, was der andere macht, wo der andere mit drinhängt. Calum braucht nicht über Williams minimale Verbindungen zu reden, weil die kaum der Rede wert sind. Er weiß, was sein älterer Bruder macht, um sein legales Einkommen aufzubessern. Er macht das gut. Lässt sich nicht zu tief reinziehen. Und William weiß, was sein kleiner Bruder macht. Nähere Einzelheiten will er nicht haben. Ist in der Regel auch sicherer, nichts zu wissen. Er stellt keine Fragen. Das ist das erste Mal, dass er überhaupt was gefragt hat. Er weiß seit fast acht Jahren, was Calum macht, und das war die erste Ermahnung. Das beunruhigt Calum ein bisschen. Woher kommt das auf einmal? Neue Leute in der Stadt? In die Stadt drängen ständig neue Leute, die gegen die etablierte Ordnung vorgehen. Das allein ist nicht erwähnenswert. William muss noch was anderes wissen. Was Bestimmtes, das er ihm nicht sagen will. Sie gehen nicht in die Einzelheiten. Er weiß was Bestimmtes. Was, das für Calum wichtig ist und das ihm Sorgen macht.
14
Ein Routinetreffen. Jedenfalls für Young. Vielleicht nicht für den Cop, den er trifft. Das Schwierigste im ganzen Geschäft. Hat Young schon immer gesagt und hat er auch von anderen gehört. Einen Cop an Bord nehmen. Jemanden auf die Lohnliste setzen und draufbehalten. Das Schwierigste, was man erreichen kann. Man muss alles genau richtig einschätzen. Muss sichergehen, dass man zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Menschen anspricht. Sobald man weiß, dass er angebissen hat, darf man ihn nicht mehr vom Haken lassen. Man lockt ihn, man überzeugt ihn, dann zieht man ihn sich an Land. Sobald er dazugehört, ändert sich alles. Man hat ihn in der Hand, deshalb ist es ein bisschen sicherer. Wenn er selbstzerstörerisch ist, kann er einen trotzdem zu Fall bringen. Er kann einem das Leben unerträglich machen. Kann mehr Stress machen, als er wert ist. Man muss dafür sorgen, dass er zufrieden ist und sich sicher fühlt. Das Gefühl hat, dass er nicht viel falsch macht. Nicht dahinterkommt, wie wichtig er ist. Wenn er einen sehen will, trifft man sich mit ihm. Wenn er will, dass man Abstand hält, tut man auch das.
Im Lauf der Jahre ist es Young gelungen, zwei Cops in die Organisation zu locken. Er hält beide auf Distanz, doch sie wissen, wer er ist und für wen er arbeitet. Sie wissen, dass sie für Peter Jamieson arbeiten, obwohl keiner von beiden ihm je begegnet ist. Beide Männer sind Streifenpolizisten. Der eine wird es auch bleiben. Young hat Paul Greig schon vor Jahren ins Boot geholt, doch der Mann ist so durch und durch korrupt, dass er niemandem vertrauenswürdig erscheint. Nicht mal nach kriminellen Maßstäben. Er lässt sich von zahlreichen kriminellen Firmen in der Stadt bezahlen, hilft ihnen gelegentlich. Anscheinend ist er von dem Verlangen getrieben, einem das Leben schwerzumachen. Young hält ihn also auf beträchtlicher Distanz. Er kommt nur dann ins Spiel, wenn es unbedingt sein muss. Als letzte Zuflucht. Im Notfall, ruf Greig an. Er ist der erste Cop, den Young an Land gezogen hat. Damals kam es ihm wie ein Sieg vor.
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