Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter
Jahr – gekauft. Noch nie getragen und danach nie wieder. Er wird beides gewissenhaft bei irgendwem im Müll entsorgen. Keine Recyclingtonne. Sonst landen die Sachen auf einer Mülldeponie. Es gibt Leute, die die Kleidung der Wohlfahrt geben. Vor Supermärkten stehen oft große Altkleiderbehälter. Manche Leute benutzen die. Calum kann den Gedanken nicht ertragen, dass die Kleidung dann noch im Umlauf ist, möglicherweise mit seiner DNA dran. Unwahrscheinlich, dass die Sachen gefunden werden, aber dennoch ein Risiko, das er nicht eingehen will.
Er hat zwei Sturmhauben. Die stellen ein Problem dar. Man will nicht dabei gesehen werden, wie man irgendwo Sturmhauben kauft. Das birgt natürlich ein Risiko. Vor ein paar Jahren hat er einen ganzen Karton davon übers Internet bestellt. Er ließ sie an die Adresse eines Freundes schicken und hat sie dort abgeholt. Ist immer ein Risiko. Man kauft was, das fast nur für kriminelle Zwecke benutzt wird. Mit einer falschen Kreditkarte. Man lässt es zu einem Haus schicken, dessen Bewohner behauptet, nichts dergleichen bestellt zu haben. Dann versteckt man den Karton auf dem Dachboden seines Elternhauses, ohne seiner Mutter was davon zu erzählen. Das würde sie bloß beunruhigen. Sie würde wissen wollen, was man damit vorhat. Unangenehme Fragen. Vor etwa einem Monat hat er sich in der Annahme, dass er bald welche brauchen könnte, drei Sturmhauben aus dem Karton genommen. Er braucht zwei. George dürfte keine eigene haben. Masken braucht man nicht bei jedem Auftrag. Manchmal weiß man, dass es keine Zeugen geben wird. Manchmal ist es ungefährlich, sein Gesicht zu zeigen. Und manchmal muss man sein Gesicht zeigen, um an das Ziel ranzukommen. Diesmal nicht. Es wird Zeugen geben. Diese Zeugen wird die Polizei vernehmen. Da kann man nicht vorsichtig genug sein. Calum weiß das, und er hält George für professionell genug, es ebenfalls zu wissen. Im Haus darf kein Wort gesprochen werden. Keine schlampigen Fehler, die zu ihrer Identifizierung führen könnten.
Calum stopft sich die beiden Sturmhauben in die Tasche. Ein Mann in Schwarz, fähig, sein Gesicht zu verbergen. Wenn ihn die Polizei anhalten würde, in einem Wagen, der ihm nicht gehört, würde man ihn verhaften. Im Besitz einer Waffe, da müsste er auf jeden Fall mit einer Gefängnisstrafe rechnen. Die Fahrt zur Arbeit und zurück ist gefährlich für Leute in seinem Geschäft. Er holt die Waffen aus ihrem Versteck und schließt den Lüftungsschlitz im Schornstein. Er achtet stets darauf, die dünne Staubschicht auf der Klappe nicht aufzuwirbeln, damit sie weiterhin unberührt wirkt. Sie würden es doch erkennen, sagt er sich. Wenn sie alles genau unter die Lupe nähmen, könnten sie es erkennen. Man darf denen einfach keinen Grund geben, einen zu überprüfen. Deshalb ist es ein Risiko, für jemanden wie Jamieson zu arbeiten. Wenn man Beziehungen zu einer Organisation unterhält, die unter Beobachtung steht, heißt das, dass man selbst unter Beobachtung steht. Dieser leise Zweifel schießt ihm wieder durch den Kopf.
Er hat das Licht im Wohnzimmer und den Fernseher angelassen. Nur so laut, dass man ihn hören kann, wenn man das Ohr an die Wohnungstür drückt. Er steigt in den Wagen. Er ist noch nicht richtig damit vertraut, fühlt sich beim Fahren unwohl. Scheint beim Tritt aufs Gaspedal einen Satz nach vorn machen zu wollen, nimmt dann aber kein Tempo auf. Calum hat es nicht eilig, zum Treffpunkt mit George zu kommen, deshalb spielt die Geschwindigkeit keine Rolle. Er befürchtet eher, dass an einer Ampel der Motor absäuft und ein vorbeifahrender Cop ihn fragt, ob er Hilfe braucht. Dass er in irgendeinen kleinen Unfall verwickelt wird, weil er den Wagen nicht hundertprozentig im Griff hat. In irgendwas, das Aufmerksamkeit erregt.
Calum holt George an einer Baustelle ab. Es ist ein x-beliebiger Treffpunkt, von dem sie wissen, dass es dort keine Überwachungskameras gibt. Man holt seinen Partner nicht zu Hause ab – zu riskant. Man wählt einen x-beliebigen Ort. Irgendwo, wo man nicht gesehen wird. George lässt sich in den Beifahrersitz fallen.
»Schöne Karre«, sagt er lächelnd. Es ist einer dieser mickrigen Kleinwagen, wie ihn alte Frauen fahren. Nichts, das Aufmerksamkeit erregt.
»Ganz okay«, erwidert Calum. Sie fahren los und zu Winters Haus. Calum schaut auf die Uhr. Kurz vor elf, sie werden ein bisschen später da sein als geplant. Das Haus dürfte noch komplett dunkel sein. Hoffentlich. Keine
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