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Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter

Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter

Titel: Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Mackay
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Überraschungen. Bitte keine Überraschungen.

17
    Er muss sich setzen. Ganz egal, ob ihn das alt aussehen lässt, er muss sich setzen. Er hat das Gefühl, als würden seine Beine in Flammen stehen, spürt, dass er knallrot im Gesicht ist. Der Schweiß rinnt durch sein graues Haar, das ihm an der Stirn klebt. Die Kopfschmerzen von der wummernden Musik sind inzwischen so vertraut, dass er sie kaum noch bemerkt. Er kann sich sein Leben kaum noch ohne Kopfschmerzen vorstellen. Er geht zuerst an die Bar. Noch eine Flasche Bier. Teuer, aber das ist ihm egal. Das ist alles, was ihn im Moment noch in Schwung hält. Winter ist gerade betrunken genug, um noch die Geduld zu bewahren. Und gerade unglücklich genug, um nicht wütend zu werden. An der Seite entdeckt er einen freien Tisch und setzt sich. Ein paar kräftige Schlucke Bier. Wie viele Flaschen bisher? Wen kümmert das schon?
    Ab und zu entsteht zwischen den Tanzenden vor ihm eine kleine Lücke, durch die er sie sehen kann. Sie tanzt immer noch mit demselben Mann. Die Freundinnen, mit denen sie hergekommen sind, haben sich in alle Richtungen verstreut. Einige sind schon gegangen. Winter hat sich bemüht mitzuhalten, in ihrer Nähe zu bleiben. Auch das hat nichts genützt. So ein Jungspund, den Kopf voll Haargel und großen Ideen, hat sich an sie rangetanzt. Er musste nicht mal was sagen. Hat einfach dicht neben ihr getanzt. Winter ist noch zehn beschämende Minuten lang dageblieben und hat sich dann ein Bier geholt. Im Geschäft gibt’s Leute, die wissen, wie man mit solchen Lackaffen umgeht. Sie würden ihn mit der jungen Frau tanzen lassen, solange er will. Würden warten, bis er den Club verlässt, und ihm nach draußen folgen. Und dann würden sie ihm die Fresse polieren. Ihn krankenhausreif prügeln. Ihn für immer verunstalten. Das würde die Botschaft rüberbringen. Sie wären keine Fußabtreter. Er schon. Dieser Junge – zwei-, dreiundzwanzig – hat sich an sein Mädchen rangemacht und ihn jämmerlich aussehen lassen. Das hat ihn wütend gemacht. Noch ein Bier. Wieder an den Tisch. So eine Wut hat er noch nie verspürt. Je mehr er trinkt, umso überzeugter ist er davon, dass diese Wut gut ist.
    Ein paar Leute verlassen die Tanzfläche. Jetzt kann er sie gut sehen. Sie schmiegt sich an den jungen Mann. Er flüstert ihr was ins Ohr. Sie lacht. Sie hat die Arme um seinen Hals gelegt, und die beiden tanzen, als wären sie ganz allein im Raum. Sie sehen aus wie ein junges Paar. Seine Hand gleitet nach unten. Legt sich auf ihren Hintern. Sie scheint es gar nicht zu bemerken, tanzt immer noch. Bewegt den Hintern immer noch, als würde er ihn nicht begrapschen, denkt Winter gereizt. Wie viele Leute hier wissen, dass wir beide zusammenleben? Vor wie vielen Leuten bin ich gedemütigt worden? Wieder mal. Weiß Gott nicht zum ersten Mal. Ein Mann, der halb so alt ist wie er. Der sie zum Lächeln bringt, wie er’s nicht mehr kann.
    Am liebsten würde er aufstehen und rübergehen. Was sagen? Vielleicht. Vielleicht sollte er sie einfach von ihm wegzerren und dafür sorgen, dass sie zur Abwechslung mal mit ihrem Lebensgefährten tanzt. Das würde sie nicht verstehen. Sie würde ihm vorwerfen, dass er ihr eine Szene macht. Dass er sie demütigt. Er
sie
demütigt. Zum Totlachen. Würde sie trotzdem sagen. Und es auch glauben. Wie können die zwei noch immer nicht erschöpft sein? Er will bloß noch nach Hause. Noch ein Bier. Teuer. Soll er sich beschweren? Nee, einfach trinken. Alles verdrängen. Alles auslöschen, dann braucht man nicht mehr auf dieser Welt zu sein. Sollen sie doch ihren Spaß haben. Sollen sie doch ihre eigene Welt haben. Für ihn gibt’s keinen Spaß. Keinen Platz. Wie spät ist es? Ihm fällt nicht ein, auf die Uhr zu schauen. Zeitlos.
    Jemand kommt an seinen Tisch. Eine Frau. Nicht so jung wie Zara. Nicht so hübsch. In den Dreißigern. Legt es zu sehr drauf an. Das Haar offenbar zu oft gefärbt. Eine Bräune, die sie sich bestimmt nicht im Sonnenschein von Glasgow zugelegt hat. Sie hat Sachen an, die auch Zara tragen würde. Zara steht so was, ihr Körper ist anziehender als die paar Kleidungsstücke, die ihn bedecken. Doch für diese Frau gilt das nicht. Weniger ist mehr, haut bei ihr nicht hin.
    »Biste allein?«, fragt sie Winter und setzt sich neben ihn. Sie sieht mitfühlend aus. So als bräuchte sie dringend Zuneigung.
    Winter streckt die Hand aus und drückt sie auf ihre. Sei ein Gentleman. Eine Frau, die Anteilnahme zeigt. Spielt keine Rolle,

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