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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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wurde?«
    »Ich habe heute Nachmittag einen Termin mit ihm.«
    »Behalten wir den Fall?«
    »Das weiß ich erst heute Abend. Sonst noch was?«
    »Und wie. Ein echter Knüller.«
    »Ja?«
    »Victor Janusz ist in Marseille. Er wurde von mehreren Zeugen gesehen, als er in einem Obdachlosenasyl übernachtete. Soll ich dir die Nummer des zuständigen Kommissars geben?«

V allon des Auffes ist eine der wichtigsten Touristenattraktionen von Marseille, aber an diesem 18. Februar war das Fischerdörfchen menschenleer. Die Restaurants waren geschlossen, die Boote dümpelten an der Mole. Der Uferdamm, der die Bucht umgibt, glänzte sauber und feucht. Janusz genoss die Einsamkeit, den Wind im Gesicht, die salzige Gischt in der Luft und den Anblick des Meers mit seinen Lichtreflexen.
    Sie saßen auf der Mole des kleinen Hafens und ließen die Füße kurz über dem Wasser baumeln. Gleich gegenüber erhob sich der Aquädukt, dessen Bögen Himmel und Wasser voneinander trennten. Es war an der Zeit, weitere Fragen zu stellen.
    »Woher weißt du, dass ich Arzt bin?«
    »Ich hatte keine Ahnung. Bist du es denn?«
    »Du hast es den anderen doch eben gesagt.«
    Shampoo zuckte die Schultern und holte zwei zerbeulte Dosen aus seinem Bündel, um zu frühstücken. Die Mahlzeit bestand aus zwei altbackenen Croissants vom Vortag, die er in einer Bäckerei ergattert hatte, sowie einer von Janusz erstandenen Flasche Wein. Er füllte die beiden Blechdosen und tunkte sein Croissant in den Wein.
    »Willst du nichts essen?«
    »Habe ich dir damals gesagt, dass ich Arzt bin?«
    »Du hast gar nichts gesagt. Du bist nicht gerade gesprächig, mein Lieber. Aber du scheinst dich auszukennen. Vor allem bei dem, was sich im Kopf abspielt.«
    »Wie zum Beispiel ein Psychiater?«
    Shampoo biss in sein Croissant, antwortete aber nicht. Die Brandung benetzte ihre Schuhsohlen.
    »Weißt du noch, wann wir uns kennengelernt haben?«
    »Ich glaube, im November. Jedenfalls war es lausig kalt.«
    Janusz holte seinen Block aus der Tasche und begann zu schreiben.
    »Bist du zum Intellektuellen geworden?«, lachte Shampoo. »Willst du keinen Wein?«
    »Bei der Emmaus-Gemeinschaft?«
    »Genau.«
    »Wo ist das?«
    Der Tippelbruder warf ihm einen merkwürdigen Blick zu. Seine Haut wies nicht die geringste Behaarung aus; er hatte weder Bart noch Augenbrauen. Seine Knochen stachen hervor wie bei einem Skelett, und sein Gesicht zeigte viele Narben. Wahrscheinlich hatte er sich oft geprügelt. Quer über seinen Kopf aber verlief eine feine, weiße Linie, die von einer Operation stammen musste. Janusz war sich ziemlich sicher, dass der Kahlkopf eine Trepanation hinter sich hatte.
    »Wo hat diese Emmaus-Gemeinschaft ihren Sitz?«
    »Meine Güte, dich hat es aber wirklich schwer erwischt. Boulevard Cartonnerie, im 11. Arrondissement.«
    Er schenkte sich erneut ein und tunkte das zweite Croissant in den Wein. Janusz schrieb immer noch mit.
    »Am 22. Dezember wurde ich wegen einer Schlägerei verhaftet.«
    »Daran erinnerst du dich?«
    »Mehr oder weniger. Was ist damals passiert?«
    »Ich war nicht dabei, aber ich habe dich danach noch einmal wiedergesehen. Die Typen aus Bougainville haben dich zusammengefaltet.«
    »Bougainville?«
    »Ein Viertel in Marseille. Nicht allzu weit von La Madrague entfernt. Die Banden, die sich da herumtreiben, sind gefährlich. Gewaltbereite Junkies.«
    Janusz überlegte, wie er sich gewehrt haben könnte.
    »Was wollten sie von mir? Mich bestehlen?«
    »Was hätten sie denn stehlen sollen? Sie wollten dich abmurksen.«
    »Das habe ich dir erzählt?«
    »Der Arsch ging dir jedenfalls auf Grundeis.«
    »Weißt du, warum sie mich umbringen wollten?«
    »Keine Ahnung. Du hast mir nur gesagt, dass du dich vom Acker machen wolltest. Dass das Licht zurückgekehrt wäre. Und dass die Götter ihre Geschichte schreiben würden. Du warst immer schon komisch, aber manchmal kamst du mir geradezu bescheuert vor.«
    Das Licht . Gab es einen Zusammenhang mit seinem Traum? Dem Traum, den auch Patrick Bonfils geträumt hatte? War es vielleicht das Symptom einer psychischen Flucht? Die Götter und ihre Geschichte . Konnte es sich um eine Anspielung auf den mythologischen Mörder handeln? Der Schmerz hinter seiner linken Augenhöhle meldete sich.
    »Weißt du, wo ich hingegangen bin?«
    »Keine Ahnung. Was zum Teufel ist mit dir passiert?«
    »Ich weiß es doch selbst nicht.«
    Shampoo drang nicht weiter in ihn. Der Schmerz verstärkte sich und strahlte über die

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