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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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verbrannte Leiche mit den angenähten Flügeln vor. Die Wanderer mussten einen schönen Schock bekommen haben!
    »Aber das ist noch nicht alles«, fuhr der Koloss fort. »Ich habe gehört, dass auf den Flügeln Spuren von Wachs und Federn gefunden wurden. Der Mörder hat sich anscheinend richtig Mühe mit der Inszenierung gemacht.«
    Ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass wirklich der Mythos von Ikarus gemeint war, eine vielleicht noch bekanntere Sage als die des Minotaurus. Minos, der König von Kreta, hielt Ikarus und seinen Vater Daidalos gefangen. Aus Wachs und Federn bauten die beiden sich Flügel. Auf der Flucht flog der junge und unbedachte Ikarus zu hoch und geriet zu nah an die Sonne. Seine Flügel schmolzen, der junge Mann stürzte ab und ertrank im Meer.
    »Weißt du, ob am Tatort auch noch andere Fingerabdrücke gefunden wurden?«
    »Mann, ich weiß wirklich nicht mehr. Und außerdem hast du für dein Geld schon eine ganze Menge bekommen.«
    »Was willst du für eine Kopie des kompletten Autopsieberichtes haben?«
    Claude verschluckte sich und paffte dicke Rauchwolken in die Luft.
    »Das kann mich meinen Job kosten.«
    »Wie viel?«
    »Fünfhundert Euro, und die Sache ist geritzt.«
    Janusz zog ein Bündel Fünfzig-Euro-Scheine aus der Tasche, zählte zehn ab und reichte Claude die Hälfte.
    »Den Rest bekommst du, wenn du lieferst. Ich warte hier auf dich.«
    Wortlos steckte der Koloss das Geld in die Tasche und schien sich zu ärgern, dass er nicht mehr verlangt hatte. Er schnippte seine Kippe fort, drehte sich um und ging ins Gebäude.
    »Scheiße!«, stöhnte Shampoo. »Wo hast du bloß den ganzen Zaster her?«
    Janusz gab keine Antwort. Nun, da Shampoo sein Geheimnis kannte, musste er auf der Hut sein. Ein Tag auf der Piste hatte gereicht, ihm die Gefahren des Pennerlebens klarzumachen. Beim ersten Anzeichen von Schwäche würde Shampoo kurzen Prozess mit ihm machen.
    Schließlich kam Claude zurück. Er blickte sich misstrauisch um, doch der Parkplatz war nach wie vor leer. Ein leichter Wind strich durch die Bambuspflanzen, die Vögel zwitscherten aus voller Kehle. Claude hatte das Dokument unter seinem Kittel versteckt. Janusz tauschte den Rest des Geldes gegen einen zusammengetackerten Papierstapel.
    »Wir haben uns nie gesehen, Mann.«
    »Warte.«
    Janusz blätterte die Fotokopien durch. Alles war da. Die Vorgangsnummer lautete K095443226, der vollständige Name des Opfers war Tzevan Sokow, die Ermittlungsrichterin hieß Pascale Andreu, und ein Kommissar namens Jean-Luc Crosnier leitete die Ermittlungen. Auf diese Angaben folgte eine detaillierte Beschreibung der Leiche und ihrer Verletzungen.
    »Lass das Ding verschwinden«, flüsterte Claude. »Du bringst uns in Teufels Küche.«
    Janusz steckte die Papiere in die Innentasche seines Mantels.
    »Nett, dich kennengelernt zu haben.«
    »Hast du noch mehr Kohle?«
    »Wieso? Hast du noch etwas zu verkaufen?«
    Claude grinste. Während des Fotokopierens hatte er genau darüber nachgedacht. Und tatsächlich war ihm etwas eingefallen.
    »Als es passierte, suchten die Bullen nach einem Zeugen, der angeblich alles gesehen hatte. Der Mann soll auch ein Aussteiger gewesen sein.«
    »Was gesehen?«
    »Den Mord. Den Mörder. Ganz genau weiß ich es auch nicht. Jedenfalls wollten sie ihn verhören.«
    Claude nahm sich viel Zeit für das Anzünden einer neuen Zigarette. Er konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen, denn er wusste, dass er Janusz am Haken hatte.
    »Das Besondere an der Geschichte ist, dass der Kerl sie erzählt hat, bevor man die Leiche fand. Er ist zur Polizei gegangen und wollte eine Aussage machen, aber niemand hat ihm geglaubt. Natürlich haben sie eine Aktennotiz gemacht, aber das war es auch schon. Als dann die Leiche auftauchte, fiel den Bullen der Bericht wieder ein. Sie haben mit dem zuständigen Kommissar Crosnier telefoniert, als der Tote gerade obduziert wurde. Ich habe jedes Wort mitgehört.«
    Claude hatte sich über den Wert seiner Erinnerung nicht getäuscht.
    »Wie viel willst du für den Namen haben?«
    »Mindestens fünfhundert.«
    Dieses Mal feilschte Janusz. Er hatte es satt, sich ausnehmen zu lassen. Die Verhandlungen dauerten nur wenige Sekunden, weil Claude spürte, dass Janusz sein Limit erreicht hatte.
    »Zweihundert, und wir reden nicht mehr drüber.«
    Janusz zählte die Scheine ab. Hastig schloss sich die Steinhand um die Banknoten.
    »Der Mann heißt Fer-Blanc.«
    »Fer-Blanc?«, mischte Shampoo sich ein.

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