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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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ihr Dasein fristeten.
    »Eine Cola?«
    Shampoo reichte ihm einen Pappbecher mit einem abgeknickten Strohhalm. Janusz leerte ihn gierig in einem Zug. Allmählich kehrten in seinen Körper Leben und Kraft zurück.
    »Wo schlafen wir diese Nacht?«, wandte er sich schließlich den nächstliegenden Fragen zu.
    »Da müssen wir uns etwas einfallen lassen, weil überall diese Aussteiger rumhängen und die Bullen die Unterkünfte sicher nicht aus den Augen lassen.«
    Shampoos Fürsorglichkeit freute ihn – es sei denn, der Kumpel hatte vor, ihm im Schlaf die Kehle durchzuschneiden.
    »Wir suchen uns etwas unter freiem Himmel. Ich kenne da ein paar Möglichkeiten, allerdings ist es im Februar nicht ganz leicht. Die Behörden kämmen alles durch, weil niemand draußen schlafen soll. Was meinst du, was die für einen Ärger bekommen, wenn einer von uns im Freien krepiert!«
    Bei der Aussicht auf eine Nacht im Freien fielen Janusz wieder die aggressiven Aussteigerbanden ein.
    »Weißt du noch, in welchem Viertel mich die Typen aus Bougainville angegriffen haben?«
    »Ich glaube, in La Joliette. Irgendwo auf den Docks.«
    »Was habe ich denn da gemacht?«
    »Keine Ahnung. Normalerweise warst du meistens bei den Leuten von Emmaus zu finden.
    Emmaus! Janusz ärgerte sich, dass er ausgerechnet bei denen nicht nachgefragt hatte, die ihn am besten kannten. Jetzt war es zu spät. Vermutlich war sein Bild längst in allen Unterkünften im Umlauf. Dach dann fiel ihm etwas ein. Er kramte in seiner Tasche und fand die Visitenkarte, die der Mann im Zug nach Bordeaux ihm gegeben hatte.
    DANIEL LE GUEN
    EMMAUS-GEMEINSCHAFT
    06 17 35 44 20
    »Wo ist hier die nächste Telefonzelle?«

T agsüber erinnerte das Viertel um die Porte d’Aix an einen afrikanischen Souk, doch jetzt waren die Straßen fast leer. Die fliegenden Händler hatten ihre Stände abgebaut, die Metallgitter der Läden waren geschlossen. Auf dem Boden lagen Hühnerfedern, Obstreste und fettiges Papier herum. Schwarz verschleierte Gestalten huschten durch die Nacht.
    »Lass uns einen Zahn zulegen«, grummelte Shampoo. »Wir kriegen einen Mistral.«
    In der Nähe des Triumphbogens, ein wenig versteckt unter Parkbäumen, stand eine Telefonzelle, die Janusz sehr zusagte. Für einen Zehner rückte Shampoo eine Telefonkarte heraus.
    »Ich gehe inzwischen mal nachtanken«, erklärte der Kahlkopf, der einen noch geöffneten arabischen Lebensmittelladen entdeckt hatte.
    Janusz betrat die Telefonzelle und wählte die Nummer von Le Guen. Der Wind machte sich immer stärker bemerkbar. Die Bäume im Park rauschten heftig, und die Scheiben der Kabine klapperten. Durch die Ritzen drangen Kälte und Feuchtigkeit.
    »Hallo?«
    »Daniel Le Guen? Hier ist Victor Janusz. Erinnern Sie sich an mich?«
    »Aber sicher. Wir haben uns doch erst vor zwei Tagen im Zug von Biarritz nach Bordeaux getroffen.«
    »Ich wollte mich wegen meines Verhaltens entschuldigen. Wissen Sie, ich habe ziemliche Probleme mit meinem Gedächtnis.«
    »Manchmal ist es ganz gut, wenn man sich nicht mehr erinnern kann.«
    Aber Janusz wollte kein Mitleid. Mit fester Stimme sagte er:
    »Ganz im Gegenteil. Ich will mich unbedingt erinnern. Sie kennen mich aus der Unterkunft der Emmaus-Gemeinschaft in Marseille, richtig?«
    »Genau. Die Unterkunft Pointe-Rouge.«
    »Wissen Sie noch, wann ich zum ersten Mal dort war?«
    »Du bist Ende Oktober gekommen.«
    »Kannte ich Marseille?«
    »Kein bisschen. Du wirktest ganz schön … verloren.«
    Janusz Stimme wurde lauter.
    »Wo kam ich her?«
    »Das hast du uns nie gesagt.«
    »Und wie habe ich mich verhalten?«
    Er musste jetzt fast schreien, um die Windböen zu übertönen.
    »Du warst zwei Monate bei uns, hast beim Sortieren und im Verkauf geholfen und in der Unterkunft geschlafen. Du warst immer ernst, sehr schweigsam und eigentlich viel zu hoch qualifiziert für die kleinen Jobs, mit denen wir dich betrauten. Zu Beginn hast du unter Amnesie gelitten, aber nach und nach wurde deine mentale Verfassung besser, und schließlich hast du dich an deinen Namen erinnert. Victor Janusz. Trotzdem hast du dich über deine Vergangenheit immer ausgeschwiegen. Wir haben nie erfahren, wie du in diese Lage geraten und warum du nach Marseille gekommen bist.«
    »Gab es je Probleme mit mir?«
    »Wie man es nimmt. An Mitte Dezember bist du manchmal tagelang verschwunden und einige Male auch nachts nicht nach Hause gekommen.«
    »Habe ich getrunken?«
    »Nun, wenn du zurückkamst, wirktest du meistens

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