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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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nah, sondern hatte außerdem schreckliche Angst. Offenbar hatte er etwas gesehen, das ihn in Gefahr brachte. Etwas, das Ihre Kollegen im Dezember nicht beachtet haben.«
    »Könnte es das Gesicht des Mörders gewesen sein?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass er sich von diesem Tag an versteckte. Es war schrecklich: Er lag im Sterben und verkroch sich wie ein Tier in seinem Bau.«
    »Haben Sie ihn ins Krankenhaus gebracht?«
    »Er war ein Fall für die Palliativmedizin.«
    »Ist er inzwischen gestorben?«
    »Nein.«
    Janusz ballte die Faust.
    »Wo befindet er sich jetzt?«
    »Ich kenne da einen ruhigen Ort in Nizza. Ich habe mich um alles gekümmert, und seit Mitte Januar verlebt er eine ruhige Zeit und ist in Sicherheit.«
    »WO IST ER?«
    Sofort bereute Janusz seine Frage und vor allem die heftige Art, wie er sie gestellt hatte. Der Arzt antwortete nicht, denn nun war genau das eingetreten, was er hatte vermeiden wollen – ein Bulle kam daher und nervte diesen armen Kerl, der an der Schwelle zum Tod stand.
    Entgegen Janusz’ Erwartung kapitulierte der Arzt schließlich doch.
    »Er ist bei den Brüdern des Büßerordens in Nizza.«
    »Ist das ein religiöser Orden?«
    »Eher eine sehr alte Bruderschaft. Sie wurde im zwölften Jahrhundert gegründet und hat sich zur Aufgabe gemacht, Sterbende bis zum Ende ihres Lebens zu begleiten. Also genau das Richtige für Fer-Blanc.«
    »Führen die Brüder ein Krankenhaus?«
    »Nein, ein Hospiz, und zwar hauptsächlich für mittellose Menschen.«
    »Und wo befindet sich dieses Hospiz?«
    Wieder zögerte der Arzt, doch nun wollte er die Sache auch zu Ende bringen.
    »Avenue de la République in Nizza. Ich weiß zwar nicht, was Sie ihn fragen wollen, aber ich hoffe, es ist wirklich wichtig. Und vor allem hoffe ich, dass Sie auf seinen Zustand Rücksicht nehmen.«
    »Vielen Dank, Herr Doktor. Glauben Sie mir, es ist wirklich von größter Bedeutung. Und ich verspreche Ihnen, dass wir sanft und mit größtem Respekt vorgehen.«
    Janusz legte auf. Ihm war klar, dass sein Bluff nur vorwegnahm, was ohnehin bald geschehen würde. Die Kripos von Bordeaux und Marseille würden sich erneut mit dem Fall Ikarus befassen. Irgendwer würde sich des Arztes Éric Enoschsberg erinnern und die gleiche Information erhalten.

A naïs Chatelet starrte auf die verschlossene Tür. Man hatte sie auf das Kommissariat geschleppt, wie man eine Verrückte in eine Heilanstalt bringt.
    Als gegen 15.00 Uhr klar wurde, dass Janusz erneut entkommen war – obwohl mehrere Wachmänner ihn gesehen und sogar eingekreist hatten, war der Mann spurlos verschwunden –, hatte Anaïs einen fürchterlichen Wutanfall bekommen.
    Zunächst hatte sie ihr eigenes Auto mit Fußtritten bearbeitet, dann hatte sie sich auf die Wachleute gestürzt, die Janusz hatten entkommen lassen. Sie hatte ihre Kappen auf den Boden geworfen, ihre Namensschilder abgerissen und versucht sie zu schlagen. Schließlich nahm man ihr die Waffe ab, legte sie in Handschellen und schloss sie in diesem Büro ein, was ein Zugeständnis an ihren Rang war. Normalerweise wäre sie in dem Käfig gelandet, der den Leuten in vorübergehendem Polizeigewahrsam vorbehalten war.
    Inzwischen wirkten die Lexomil. Sie hatte die Höchstdosis eingenommen – gleich zwei der teilbaren Tabletten, die sie wie Ecstasy gelutscht hatte. Nachdem sie unter ihrer Zunge geschmolzen waren, spürte sie eine wohltuende Ruhe. Die Ruhe nach dem Sturm.
    Sie hatte die Arme auf dem Schreibtisch verschränkt, den Kopf angelehnt und wartete darauf, an die Reihe zu kommen.
    Dabei hatte der Morgen wirklich gut angefangen. Jean-Luc Crosnier, der den Fall Ikarus geleitet hatte und jetzt die Suche nach Freire betreute, hatte sie gut gelaunt empfangen. Er hatte ihr ein eigenes Büro zur Verfügung gestellt – genau das, in dem sie jetzt als Gefangene saß – und ihr gestattet, die gesamte Akte durchzuarbeiten.
    Sie entnahm dem Dossier nichts Neues. Die Kripo hatte gute Arbeit geleistet, aber leider war diese Arbeit schließlich im Sande verlaufen. Der mythologische Mörder wusste, wie man Spuren verwischte. Die Polizei von Marseille hatte nicht einen Zeugen aufgetrieben, abgesehen von einem Obdachlosen, der später nicht mehr auffindbar war. Und auch an Indizien mangelte es trotz des Drachengestänges, der Federn und des Wachses.
    Allerdings bestand nicht der geringste Zweifel daran, dass es sich um denselben Mörder handelte. Seine Vorgehensweise, das Heroin und die symbolträchtige

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