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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Art Wahrheitsserum.«
    »Märchen kannst du mir wirklich auch später noch erzählen!«
    »Anaïs, da ist noch etwas.«
    Sie zuckte zusammen. Le Coz nannte sie sonst nie Anaïs, und das schien ihr eher ein Alarmsignal als ein Zeichen von Zuneigung.
    »Koskas ist es gelungen, sich die Liste der Aktionäre zu besorgen.«
    Crosnier ließ ungeduldig den Motor aufheulen. Anaïs rannte auf den Wagen zu.
    »Lass uns später weiterreden, Le Coz.«
    »Auf dieser Liste stand ein Name, den ich nur allzu gut kenne.«
    Mit der Hand am Türgriff erstarrte Anaïs.
    »Wer?«, flüsterte sie.
    »Dein Vater.«

I ch muss Sie warnen. Er ist nicht mehr ganz bei sich.«
Jean-Michel erwartete Janusz vor dem Hospiz. Das Gebäude unterschied sich auffallend von den anderen Häusern in der Avenue de la République. Es war modern und in allen Farben der Sonne gestrichen. Rötlich gelb, hellgelb und leuchtend gelb. Einen Ort, an dem man das Ende seines Lebens verbrachte, hatte Janusz sich ganz anders vorgestellt.
    Der Büßerbruder wirkte ausgesprochen nervös. Ahnte er vielleicht etwas? Hatte er die Morgenzeitungen gelesen? Etwa mit seinem Konterfei gleich auf der ersten Seite? Aber jetzt war es zu spät für einen Rückzug.
    Janusz folgte dem Mann in eine große Eingangshalle. An der Wand hing ein weißes Schild mit rotem Kreuz, unter dem die Worte BETEN HANDELN LIEBEN standen. Schweigend gingen sie eine Treppe hinauf. Janusz hatte seinen Aktenkoffer und die Akte bei sich, denn er wollte nicht ins Hotel zurückkehren. Er beobachtete den Büßerbruder. Eigentlich hatte er einen Greis in weißer Kutte mit Kapuze erwartet. Doch Jean-Michel war ein attraktiver Mittfünfziger mit Bürstenschnitt, Schildpattbrille und athletischer Figur in Jeans und Pulli.
    Sie gingen einen Flur entlang, der nur notdürftig durch ein Oberlicht erhellt wurde. Das graue Linoleum unter ihren Füßen glänzte wie das Wasser eines Flusses. Die Stille im Haus war bedrückend. Kein Hinweisschild und kein Geruch verriet, wo man sich befand. Es hätte ebenso gut eine Behörde der Sozialhilfe oder ein Finanzamt sein können.
    Vor einer Tür blieb Jean-Michel stehen und drehte sich um, die Hände in die Hüften gestützt. Im Gegenlicht sah er so gebieterisch aus, als hätte für Janusz das Jüngste Gericht begonnen.
    »Angesichts seines Zustandes gebe ich Ihnen zehn Minuten.«
    Janusz nickte stumm. Wider Willen nahm er einen andächtigen Ausdruck an. Jean-Michel klopfte, aber niemand antwortete. Der Büßerbruder nahm einen Schlüsselbund aus der Tasche.
    »Wahrscheinlich ist er auf dem Balkon«, sagte er. »Da sitzt er gern.«
    Sie betraten das Appartement, ein kleines, sonnendurchflutetes Studio mit Laminatboden und hell tapezierten Wänden. Links befand sich eine peinlich saubere Küchenzeile.
    Alles war makellos, alles glänzte, und alles war kalt wie in einem Labor.
    Jean-Michel wies auf die geöffnete Balkontür. Auf dem Balkon saß ein Mann in einem Liegestuhl. Er wandte ihnen den Rücken zu. Der Büßerbruder zeigte zehn Finger: zehn Minuten – nicht eine mehr. Dann zog er sich auf Zehenspitzen zurück und ließ Janusz allein mit dem Mann, den er seit zwei Tagen suchte.
    Mit der Aktentasche in der Hand ging er auf den Mann zu. Christian Buisson lag bis zum Kinn in eine Decke eingehüllt in der prallen Sonne. Der Balkon lag zur Straßenseite hin, und man konnte nicht weiter sehen als bis zum Haus gegenüber. Verkehrslärm drang herauf, begleitet vom Kreischen der Straßenbahnen, die regelmäßig vorüberfuhren.
    »Hallo, Fer-Blanc.«
    Der alte Mann rührte sich nicht. Janusz trat auf den Balkon hinaus, stellte sich so, dass Buisson ihn sehen konnte, und lehnte sich an die Balustrade. Endlich blickte Fer-Blanc auf. In seinem mumienartigen Gesicht zeigte sich nicht die geringste Überraschung.
    »Bist du gekommen, um mich umzubringen?«, fragte er schließlich.
    Janusz griff nach einem Klappstuhl und setzte sich neben den Greis. Immer noch wandte er dem Balkongitter den Rücken zu.
    »Warum sollte ich dich umbringen wollen?«
    Das Gesicht belebte sich. Janusz hätte nicht sagen können, ob sein Gegenüber lächelte oder eine Grimasse schnitt. Durch die graue, schlaffe Haut hindurch konnte man Muskeln und Sehnen erkennen. Die trüben Augen lagen tief in den Höhlen und auf dem Kinn sprossen starre Barthaare, die ihm das Aussehen eines Stachelschweins verliehen.
    »Ich wollte mit dir über die Felsbucht von Sormiou sprechen.«
    »Na klar.«
    Fer-Blanc hatte mit großer

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