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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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wurde?
    Sie hatte in dieser Nacht nicht nur die Akte Ikarus durchgelesen, sondern auch Janusz’ Aufzeichnungen akribisch studiert. Das Notizbuch enthielt einen wichtigen Hinweis, etwas, das sie selbst vom ersten Augenblick an mehr oder weniger bewusst gespürt hatte. Freire alias Janusz war weder ein Betrüger noch versuchte er, andere zu manipulieren. Und er handelte bei klarem Verstand.
    Trotzdem war er ein »Reisender ohne Gepäck«, genau wie Patrick Bonfils.
    Seine Notizen ließen daran nicht den geringsten Zweifel, auch wenn sie nur zum persönlichen Gebrauch gedacht waren. Anaïs hatte es zwischen den Zeilen lesen können. Seine beiden Identitäten waren nichts als psychische Fluchten, und vermutlich gab es noch andere. Zwar ging es bei den Recherchen von Freire/Janusz um die beiden Mordfälle, aber vor allem suchte er nach sich selbst. Er versuchte, jeder seiner Persönlichkeiten auf den Grund zu gehen, weil er hoffte, die erste wiederzufinden – seinen wahren Ursprung.
    Bis jetzt war es ihm lediglich gelungen, eine Chronologie der letzten Monate zu erstellen. Seit Januar war er Mathias Freire gewesen, und von Ende Oktober bis Ende Dezember Victor Janusz. Aber was war davor gewesen? Er suchte nach Antworten, wobei ihm etwas ganz besonders auf den Nägeln brannte. War er der Mörder des Minotaurus? Hatte er Ikarus auf dem Gewissen? War er der Jäger? Oder der Gejagte? Oder etwa beides?
    Der Fall, in den er verwickelt war, überstieg seine Fähigkeiten. Bisher war ihm das Glück des Anfängers beschieden, aber er konnte jederzeit von der Polizei oder von den mysteriösen Männern in Schwarz gefunden oder gar getötet werden.
    Freire hatte auch von der Gang geschrieben, die in Marseille auf ihn angesetzt worden war. Schon im Dezember hatte er Bekanntschaft mit der Bande gemacht – wegen dieser Auseinandersetzung war er kurzfristig festgenommen worden –, und in der Nacht des 18. Februar war es erneut zu einer Konfrontation gekommen. Nachdem er ein Bandenmitglied windelweich geprügelt hatte, erfuhr er, dass die Gang von den Männern in Schwarz bezahlt wurde.
    Die Gang von Bougainville muss unbedingt verhört werden, dachte Anaïs. Auf dem Weg nach Nizza würde sie mit Crosnier darüber reden und …
    »Anaïs!«
    Erschrocken fuhr sie auf. Crosnier rüttelte ihre Schulter. Sie war im Kantinensessel eingeschlafen. Durch die halb geöffnete Tür sah sie Polizisten kommen und gehen – der Nachtdienst wurde abgelöst.
    »Wie viel Uhr ist es?«
    »Zwanzig nach sieben.«
    Sie zuckte zusammen.
    »Wir sind viel zu spät dran!«
    »In einer Stunde sind wir locker da. Die Bruderschaft ist informiert, und die Polizisten sind auch schon an Ort und Stelle.«
    »Aber ich hatte Ihnen doch gesagt …«
    »Sie sind in Zivil, und ich kenne jeden Einzelnen.«
    »Haben Sie sie gewarnt, dass Freire bewaffnet ist?«
    »Manchmal habe ich den Eindruck, dass Sie mich für ziemlich blöd halten. Ich warte unten im Wagen auf Sie.«
    Anaïs ging ins Büro zurück und zog ihren Blouson über. Auf dem Weg nach unten machte sie einen Abstecher zu den Toiletten und hielt ihren Kopf unter lauwarmes Wasser. Ihre Schläfen pochten, und ihr war übel. Aber die Erkältung war verschwunden.
    Auf der Schwelle des Polizeigebäudes atmete sie genüsslich die kalte Luft ein. Crosnier saß bereits hinter dem Steuer. Anaïs blickte sich um, konnte aber kein anderes Polizeifahrzeug entdecken. Crosnier hatte auf das große Aufgebot verzichtet, was ihr durchaus nicht missfiel.
    Als Anaïs auf das Zivilfahrzeug zuging, klingelte ihr Mobiltelefon. Sie griff daneben. Das Gerät fiel zu Boden. Sie hob es auf und meldete sich:
    »Hallo?«
    »Le Coz.«
    Der Name schien aus einer anderen Welt zu stammen.
    »Ich rufe wegen Mêtis an.«
    »Was?«
    Anaïs konnte sich kaum konzentrieren. Crosnier hatte das Auto angelassen und wartete mit aufjaulendem Motor darauf, dass sie einstieg.
    »Ich habe mich vergangene Nacht mit dem letzten der Journalisten getroffen, einem gewissen Patrick Koskas. Er hat intensiver recherchiert als die anderen.«
    »Worüber?«
    »Mein Gott, natürlich über Mêtis.«
    »Ich habe es wirklich eilig«, presste sie zwischen den Zähnen hervor.
    »Aber was der Mann mir erzählt hat, ist wirklich haarsträubend. Er behauptet, dass Mêtis die Verbindung zum Militär nie aufgegeben hat.«
    »Können wir das nicht später besprechen?«
    »Nein. Laut Koskas arbeitet der Konzern an einem Medikament, das auch den eisernsten Willen brechen kann. Eine

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