Der Ursprung des Bösen
deine Quellen besser überprüfen. Mêtis hat niemals chemische Waffen produziert. Allerdings haben die Ingenieure der Firma den Transport der Produkte beratend unterstützt. Zum damaligen Zeitpunkt engagierte Mêtis sich gerade im pharmazeutischen Bereich – ein deutlich interessanteres Marktsegment als Waffen, die längst aus der Mode sind. Immerhin ist Mêtis ein internationaler Großkonzern.«
»Was machen die Leute von Mêtis heutzutage?«, unterbrach ihn Anaïs. »Arbeiten sie noch immer mit dem Militär zusammen? Und warum sind sie in den Mord an einem baskischen Fischer und seiner Frau verwickelt?«
»Selbst wenn ich darüber etwas wüsste, würde ich es dir nicht sagen, das weißt du ganz genau.«
Einen Augenblick verspürte sie nicht übel Lust, ihn vorzuladen, in Gewahrsam zu nehmen, zu durchsuchen und zu verhören. Aber erstens gab es nicht den geringsten konkreten Beweis, und zweitens war sie nicht mehr mit dem Fall betraut und hatte keine Berechtigung dazu. Sowohl ihren Dienstausweis als auch die Waffe trug sie im Augenblick unrechtmäßig.
»Ich hatte wirklich gehofft, dass du mir etwas zu sagen hättest.«
»Das habe ich auch. Vergiss Mêtis.«
»Kommt die Botschaft von ihnen?«
»Nein, von mir. Komm ihnen nicht zu nah. Die Leute fackeln nicht lang.«
»Na toll.«
»Du bist ihnen nicht gewachsen.«
Sie konnte sich diesen Drohungen nur fügen. Trotzdem wollte sie auf die Fakten zurückkommen, so fadenscheinig sie auch sein mochten. Zwei Scharfschützen, die den Wagen einer Gesellschaft fuhren, welche zur Unternehmensgruppe Mêtis gehörte. Obwohl sie sich bemühte, ihre Argumente so überzeugend wie möglich darzulegen, schien ihr Vater enttäuscht zu sein.
»Mehr hast du nicht zu bieten? Dann kann ich meinen Freunden getrost mitteilen, dass sie allmählich alt werden. Erst im Alter beunruhigt man sich wegen Bagatellen. Und verfolge diesen Weg nicht weiter, meine Kleine. Nicht dass du noch deinen Job, deinen Ruf und deine Zukunft verlierst.«
Sie beugte sich über den Tisch. Das Geschirr klirrte.
»Du solltest mich nicht unterschätzen. Ich kann sie in die Enge treiben.«
»Und wie?«
»Indem ich beweise, dass sie eine Diebstahlanzeige gefälscht, eine Ermittlung korrumpiert und zwei Killer engagiert haben. Verdammt, ich bin Polizistin!«
»Du hast nicht verstanden, was ich gesagt habe. Es kann keine Ermittlung gegen Mêtis geben.«
»Und warum nicht?«
»Die Polizei und die Gendarmen sind dazu da, Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Aber Mêtis ist die Ordnung.«
Wie hatte Koskas noch gesagt? Der Wurm ist nicht im Apfel. Apfel und Wurm haben sich verbündet . Anaïs wandte den Blick ab und betrachtete die große Tapisserie. Sie stellte eine Jagdszene dar. Es sah aus, als würden menschliche Leichen im Nebel von Hunden zerrissen.
Schließlich blickte sie ihrem Vater direkt in die Augen.
»Warum lassen sie sich von dir beraten?«
»Ich berate sie nicht. Ich besitze lediglich Aktien. Mêtis hat im Raum Bordeaux zahlreiche Beteiligungen. Als sie sich der pharmazeutischen Industrie zuwandten, habe ich sofort investiert. Ich kenne die Gründer seit vielen Jahren.«
Und mit einem Anflug von Häme setzte er hinzu:
»Mêtis hat dich und mich ernährt. Jetzt ist es ein bisschen zu spät, ihnen in die Suppe zu spucken.«
Anaïs ging nicht auf die Stichelei ein.
»Ich habe gehört, dass es neue Untersuchungsreihen gibt. Angeblich werden in Zusammenarbeit mit der Armee neue Wahrheitsseren entwickelt. Deine Erfahrung auf dem Gebiet der Folter könnte ihnen nützlich sein.«
»Ich weiß ja nicht, wo du deine Informationen herhast, aber ich kann dir sagen, dass es reine Fantasieprodukte sind. Schlimmer als im Comicheft.«
»Dann leugnest du also, dass die chemischen Versuchsreihen eines Tages die Zukunft der Nachrichtendienste verändern könnten?«
Er schmunzelte. Sein Lächeln bewegte sich irgendwo zwischen Weisheit und Zynismus.
»Ich glaube, wir alle träumen von einem solchen Produkt. Von einer Pille, die jede Art von Folter, Grausamkeit und Gewalt überflüssig machen würde. Allerdings glaube ich nicht, dass schon jemand ein solches Medikament erfunden hat.«
»Aber Mêtis arbeitet daran.«
Er antwortete nicht.
»Wie kannst du dich in deinem Alter noch mit einem solchen Schwindel befassen«, rief Anaïs verzweifelt.
Er reckte sich in seinem schicken Ralph-Lauren-Pullover und schenkte ihr einen sanften Curaçao-Blick.
»Der wahre Christenmensch stirbt nicht in seinem
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