Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
Tragfläche in der Hand hielt, wich vor ihr zurück. Anaïs nahm Maß. Ihr Gegner war klein und hatte einen kahlen, schweren, wie poliert wirkenden Schädel. Billige Brille, unsicherer Gesichtsausdruck, furchtsamer Blick. Den Kerl würde sie im Handumdrehen erledigen, doch sie musste sich beeilen.
    »Ich komme im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens von Ermittlungsrichter Le Gall«, bluffte sie.
    Dussart fummelte an seinem Balsaholzflügel herum.
    »Am Sonntag?«
    »Sie haben am 12. Februar in der Gendarmerie in Bruges eine Diebstahlmeldung aufgenommen. Es ging um einen allradbetriebenen Audi Q7 S line TDI mit dem Kennzeichen 360 643 AP 33, Eigentum der Firma ACSP, einem Sicherheitsunternehmen mit Hauptsitz in Bruges.«
    Dussart, der ohnehin schon blass war, wurde noch bleicher.
    »Wer hat den Diebstahl zur Anzeige gebracht?«, fragte sie.
    »Ich kann mich nicht an den Namen erinnern. Dazu müsste ich die Papiere konsultieren.«
    »Unnötig«, schnitt sie ihm das Wort ab. »Wir wissen, dass der Name falsch ist.«
    »Was?«
    »Am 12. Februar hat niemand einen Diebstahl angezeigt.«
    Dussarts Gesichtsfarbe wurde fast transparent. Er sah sich bereits seines Rangs und seines Beamtengehalts enthoben – schlimmstenfalls vielleicht sogar seiner Rente. Seine Finger umschlossen das Balsaholz so fest, dass es ächzte.
    »Beschuldigen Sie mich etwa, ein Protokoll vordatiert zu haben?«
    »Daran besteht kein Zweifel.«
    »Und wie wollen Sie das beweisen?«
    »Kommen Sie mit auf die Wache. Ziehen Sie Ihren Mantel an und …«
    »Nein. Das ist nicht wahr. Sie …«
    Anaïs unterbrach ihn.
    »Laut Zeugenaussagen wird das Fahrzeug bis zum heutigen Tag von Angestellten der ACSP gefahren.«
    »Und was kann ich dafür?«, wehrte sich Dussart. »Sie haben den Wagen am 12. Februar als gestohlen gemeldet. Wenn sie gelogen haben, dann …«
    »Nein. Sie sind später gekommen und haben Ihnen befohlen, das Protokoll zurückzudatieren.«
    »Wer hätte mir so etwas befehlen sollen?«
    »Nehmen Sie Ihren Mantel und zwingen Sie mich nicht, Gewalt zu gebrauchen. Wir können ganz einfach nachweisen, dass seit dem 12. Februar absolut nichts unternommen wurde.«
    Dussart lachte erstickt auf.
    »Was beweist das schon? Bei gestohlenen Autos unternehmen wir nie etwas.«
    »Auch nicht bei einem derart teuren Wagen? Der zudem noch einem Sicherheitsunternehmen in Ihrem Revier gehört? Die Leute sind doch gewissermaßen Ihre Kollegen. Wenn wir wirklich nichts finden, gehen wir davon aus, dass am 12. Februar kein Diebstahl gemeldet wurde.«
    Ein Leuchten blitzte in den Augen des Gendarms auf. Schon dachte er daran, andere Dokumente zurückzudatieren. Verhörprotokolle. Umfragen in der Nachbarschaft. Aber Anaïs nahm ihm sofort den Wind aus den Segeln.
    »Meine Leute sind bereits dabei, Ihre Dienststelle zu durchsuchen. Und jetzt ziehen Sie verdammt noch mal Ihren Mantel an!«
    »Am Sonntag? Dazu haben Sie kein Recht!«
    »Im Fall eines Doppelmords haben wir alles Recht der Welt.«
    Die Tragfläche aus Balsaholz zerbrach.
    »Ein Doppelmord?«
    In dem knappen Ton, den man auf keiner Polizeischule lernt, der aber allen Polizisten angeboren scheint, fuhr Anaïs fort:
    »Am 16. Februar, im Baskenland. Die Mörder fuhren den Q7. Und wenn du dich noch weiter zierst, schwöre ich, dass ich dir die Hölle heißmache.«
    »Hatte die ETA ihre Hände im Spiel?«
    »Mit der ETA hatte es absolut nichts zu tun.« Sie zückte die Handschellen. »Ich schlage dir einen Deal vor. Du sagst mir alles, und zwar hier und jetzt, und wir versuchen uns zu arrangieren. Bist du dazu nicht bereit, werde ich dich der Beihilfe zum Mord anklagen. Die Fahrer des Q7 haben am 19. ein weiteres Mal versucht, jemanden umzubringen. Der Wagen könnte zu deiner Eintrittskarte fürs Gefängnis werden. Erleichtere also dein Gewissen.«
    Dussart schwitzte zum Erbarmen. Seine Lippen zitterten.
    »Sie können mir nichts nachweisen.«
    In diesem Augenblick hatte Anaïs eine Erleuchtung. Sie ärgerte sich nur, dass ihr der Gedanke nicht schon früher gekommen war.
    »Aber sicher kann ich das. Die ACSP hat nämlich ihre Versicherung nicht informiert. Der Diebstahl wurde nicht gemeldet. Ganz ehrlich – findest du es normal, sich ein Auto im Wert von mehr als sechzigtausend Euro nicht ersetzen zu lassen?«
    Der Gendarm war inzwischen so weit zurückgewichen, dass er in einer Ecke stand.
    »Der GPS-Tracker wurde nie aktiviert«, fuhr Anaïs einer plötzlichen Eingebung folgend fort. »Irgendwie scheint es

Weitere Kostenlose Bücher