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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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sehen. Seit ihrem Treffen in seinem anonymen Haus in Bordeaux hatte er einige Kilo abgenommen.
    Die Mörder überquerten bereits die Straße. Durch die Auspuffdünste schlängelten sie sich zwischen stehenden Autos hindurch. Anaïs schloss lautlos die Wagentür und entsicherte ihre Waffe. Die Jäger waren nur noch wenige Meter von ihrer Beute entfernt. Anaïs legte ihren Finger auf den Abzug. Sie bewegte sich in die Richtung der drei Männer, bereit, die Straße zu überqueren. Die Mörder ließen die Hände in ihre Mäntel gleiten. Anaïs hob den Arm.
    Doch nichts geschah.
    Die Jagdhunde blieben wie erstarrt stehen.
    Narcisse hatte eine Röntgenpraxis betreten, die sich gleich neben einer Apotheke in der Rue de Montalembert Nummer 9 befand. Anaïs ließ ihre Waffe in ihrem Blouson verschwinden. Radiologie und Nuklearmedizin stand auf dem Schild an der Tür.
    Narcisse setzte seine Idee in die Tat um. Er hatte bei Simon Amsallem und Sylvain Reinhardt seine Bilder abgeholt und würde sie jetzt röntgen lassen.
    Die beiden Männer in Schwarz kehrten zu ihrem Auto zurück. Auch Anaïs ging wieder zu ihrem Opel und setzte sich hinein. Sie war sich sicher, dass man sie nicht gesehen hatte. Der Verkehr war inzwischen fast zum Erliegen gekommen. Die Autos standen Stoßstange an Stoßstange. Immer wieder wurde gehupt. Die Gesichter hinter den Windschutzscheiben wirkten angespannt. Was war hier bloß los?
    Anaïs beobachtete Narcisses Verfolger aus dem Augenwinkel. Im Grunde bewunderte sie ihre Ruhe, ihre Eleganz und ihre stumme Vertrautheit mit dem Tod. Beide maßen über einen Meter fünfundachtzig und hatten breite Schultern. Die Jacketts unter ihren Mänteln waren geschlossen, die Bügelfalten ihrer Hosen saßen makellos. Einer der beiden hatte silbernes Haar und trug eine Schildpattbrille der Marke Tom Ford. Das rotblonde Haar des anderen lichtete sich bereits. Beide waren schöne Männer mit regelmäßigen Zügen. Man sah ihnen die Nähe zur Macht und die Sicherheit, ungestraft davonzukommen, förmlich an.
    Im Gegensatz dazu fühlte sie sich wie der letzte Dreck. Sie roch übel, schwitzte und sah völlig zerknittert aus. Ihre Hände zitterten. Sie dachte an die Western, die sie früher gern mit ihrem Vater gesehen hatte, an die Duelle auf Sandplätzen oder feierlichen Friedhöfen. Immer hatten die Helden sich absolut im Griff, und nie geriet ihre Kaltblütigkeit ins Wanken. Die beiden Söldner besaßen das nötige Phlegma – sie nicht.
    Einen winzigen Augenblick spielte sie mit dem Gedanken, die Polizeiwache des Viertels zu informieren. Nein! Die Kerle würden die Ankunft der Bullen sofort bemerken und verschwinden. Sie aber wollte unbedingt herausfinden, wer sie waren, was sie antrieb und für wen sie arbeiteten.
    Sie konnte natürlich auch in die Radiologiepraxis gehen und Narcisse überzeugen, mit ihr durch einen Seiteneingang zu fliehen. Aber auch das ging nicht. Sicher würde er in Panik geraten und seine Waffe benutzen. Amateure waren unberechenbar.
    Sie legte ihre Pistole wieder auf ihre Knie und krallte sich mit aller Kraft ins Lenkrad. Mit einer Lexomil ginge alles viel besser . Den Angstlöser jedoch mit Amphetaminen zu kombinieren wäre etwa so, wie in ein loderndes Feuer zu pinkeln.
    Warten.
    Sie musste warten.

M onsieur Narcisse?«
Mit seinen Bildern unter dem Arm sprang er auf. Er hatte an der Anmeldung den Namen genannt, ohne darüber nachzudenken. Zwar konnte er weder Krankenkassenkarte noch Rezept vorweisen, doch die Arzthelferinnen hatten sich verständnisvoll gezeigt, als er ihnen erklärte, dass er nach einem Sturz unter starken Schmerzen im Ellbogen leide. Er wurde ins Wartezimmer gebeten; die anderen Patienten zollten ihm keinerlei Aufmerksamkeit.
    »Hier entlang bitte.«
    Die Arzthelferin bog in einen Flur ab, der nach rechts führte. Narcisse stieß mit den Bildern an der Ecke an.
    »Lassen Sie sie doch vorne bei uns an der Anmeldung. Es wäre bestimmt bequemer in der Umkleidekabine.«
    »Vielen Dank, aber ich möchte sie bei mir behalten.«
    Müde folgte er der Frau. Er fühlte sich alles andere als wohl. Der unerwartete Gewaltausbruch bei Reinhardt hatte seine Angst bereits verstärkt, doch der Anblick seines zweiten Gemäldes, das er schließlich aus dem Lager geholt hatte, gab ihm den Rest. Auf diesem Bild hatte er sich in der Uniform eines Briefträgers aus den 1980er Jahren dargestellt. Er trug Mütze und Jacke in Blaugrau mit dem damaligen Emblem der Post, einem Flugzeug, das wie in

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