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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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blieb nur noch eine einzige Möglichkeit: sich als Notfall in der Klinik Sainte-Anne aufnehmen zu lassen, endgültig zusammenzubrechen und zu kapitulieren.
    Wie ein Mantra wiederholte er in Gedanken den Namen des Arztes, von dem Nathalie Forestier gesprochen hatte. François Kubiela.
    Dieser Mann würde ihn verstehen, ihn schützen und vielleicht sogar heilen. Und deswegen hatte er bis zum Morgen gewartet. Er wollte den Professor höchstpersönlich treffen.
    Er tappte durch die Gärten des Innenhofs, während sich der Morgenhimmel blutrot färbte. Die Gärten lagen verlassen da. Die Hainbuchenhecken waren akkurat getrimmt, die kahlen Äste der Bäume ordentlich geschnitten. Schmucklose Gebäude mit glatten, schwärzlichen Fassaden ragten vor ihm auf. Hier war alles darauf ausgerichtet, verbogene Seelen wieder ins Lot zu bringen.
    Aufs Geratewohl ging Chaplain die Wege entlang. Sein Mund fühlte sich trocken an, und er hatte Hunger. Ein leichter Schwindel überkam ihn. Er spürte das Gewicht der beiden Waffen in seinen Taschen – eine CZ und eine SIG Sauer. Er hatte den Namen auf dem Lauf gelesen. Wahrscheinlich war Kubiela der Einzige, der nicht gleich die Polizei rufen würde. Er würde ihm Zeit geben, alles zu erklären. Immerhin kannte er eine Seite des Falles.
    Die Wege trugen die Namen berühmter Geistesgestörter: Guy de Maupassant, Paul Verlaine, Vincent van Gogh. Chaplain betrachtete die Hinweisschilder, fand aber nicht, was er suchte. Vielleicht sollte er sich an einen Pfleger wenden.
    Einige Schritte weiter entdeckte er einen Mann im blauen Overall, der das Pflaster kehrte. Er war noch sehr jung und trug einen hellblonden Bart. Locken und Wimpern waren von gleicher Farbe. Der Mann war so in seine Tätigkeit vertieft, dass er ihn noch nicht bemerkt hatte. Chaplain kam zu dem Schluss, dass es sich um einen Kranken handelte, dem man diese Aufgabe anvertraut hatte.
    Er war nur noch wenige Schritte entfernt und wollte den jungen Mann gerade ansprechen, als dieser aufblickte. Mit einem Schlag hellte sein Gesicht sich auf.
    »Guten Tag, Professor Kubiela. Sie haben sich ja schon lange nicht mehr hier blicken lassen.«

5. François Kubiela

D ie Welt der Psychiatrie und der Kunst trauert. Am Dienstag, den 29. Januar 2009, kam François Kubiela gegen 23.00 Uhr auf der Autobahn A 31 in der Nähe der luxemburgischen Grenze ums Leben. Bisher ist nicht bekannt, warum er die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor. Der bekannte Psychiater rammte kurz vor der Ausfahrt Thionville-Metz Nord die Leitplanke mit einer Geschwindigkeit von etwa hundertvierzig Stundenkilometern. Das Fahrzeug fing sofort Feuer. Bis zum Eintreffen der Sicherheitskräfte war der Körper bereits bis zur Unkenntlichkeit verbrannt …«
    Gänsehaut . Nach dem ersten Schock über seine neue Identität – vermutlich die einzig echte – musste Kubiela nun auch noch den Nachruf auf seinen eigenen Tod verdauen.
    Kopflos war er durch die Straßen des 13. Arrondissements geirrt, ehe er in der Nähe der Metrostation Glacière ein Internetcafé betrat. Er setzte sich und gab seinen neuen Namen ein.
    Der erste Treffer bei Google war ein Nachruf vom 31. Januar in Le Monde . Und es schien sich tatsächlich um ihn zu handeln. Auf Seite fünfundzwanzig der Tageszeitung fand sich ein Schwarz-Weiß-Foto des verunglückten Psychiaters. Es war er selbst in einem weißen Kittel, mit weniger Falten, dafür aber einem umwerfenden Lächeln.
    Tot und zugleich am Leben? Fassungslos über diese neue Wendung vertiefte er sich in die Biografie des verstorbenen François Kubiela, eines bekannten Psychiaters und Malers, die in einem schwarz umrandeten Kasten abgedruckt war.
    18. November 1971: Geboren in Pantin, Seine-Saint-Denis
    1988: Aufnahme des Medizinstudiums
    1992: Erste Ausstellungen eigener Werke
    1997: Veröffentlichung der Doktorarbeit im Fach Psychiatrie zum Thema der Identitätsentwicklung bei Zwillingen
    1999: Aufnahme der Tätigkeit als Psychiater in der Klinik Paul-Guiraud in Villejuif
    2003: Ausstellung des Gesamtwerks in der Galerie MEMO in New York
    2004: Berufung zu Frankreichs jüngstem medizinischen Direktor an der Klinik Sainte-Anne, Paris
    2007: Veröffentlichung von Das Spiel der Ichs , einem Werk über das Syndrom multipler Persönlichkeiten
    29. Januar 2009: Tod auf der Autobahn A 31
    Seine Vermutungen bestätigten sich. Er war etwa so alt, wie die falschen Papiere es angaben, und hatte sich zweigleisig sowohl in der Psychiatrie als auch in der

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