Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
linken Bullen glaubt doch immer, dass wir die Quelle allen Übels sind. Ganz gleich, was wir tun – für euch sind wir doch immer im Unrecht. Ihr meint, dass wir grundsätzlich aus Egoismus oder bürgerlicher Heuchelei handeln.«
    Er wandte sich zum Ausgang. Unterwegs grüßte er den einen oder anderen Bekannten. Anaïs folgte ihm.
    »Hat Philippe Duruy Ihnen je von seiner Familie erzählt?«
    »Ich glaube nicht, dass er eine Familie hatte. Jedenfalls hat er nie ein Wort darüber verloren.«
    »Was ist mit Freunden?«
    »Nicht dass ich wüsste. Er war ein Nomade. Ein Einzelgänger. Und er gefiel sich in dieser Rolle, gab sich bewusst schweigsam und verschlossen. Ein Leben zwischen Musikevents und Trips.«
    Thiaux verließ den Bungalow. Anaïs stellte sich ihm in den Weg. Obwohl es erst vier Uhr nachmittags war, dämmerte es bereits. Nach den Stimmen der Männer drinnen war hier draußen nur noch das Krächzen einer Krähe zu hören. Anaïs fröstelte.
    »Aber Duruy hatte seinen Lebensmittelpunkt in Bordeaux, oder?«
    »Lebensmittelpunkt wäre zu hoch gegriffen. Sagen wir, dass er jeden Monat zur Sprechstunde kam, was vermutlich bedeutet, dass er sich irgendwo in der Umgebung aufhielt.«
    Sie erreichten den Parkplatz. Der Arzt kramte die Autoschlüssel aus der Tasche. Die Botschaft lag klar auf der Hand: Er hatte nicht die Absicht, weiter Anaïs’ Fragen zu beantworten.
    Trotzdem ließ sie nicht locker.
    »Haben Sie nie mit ihm über seine Vergangenheit gesprochen? Oder über seine Herkunft?«
    »Ihnen ist offensichtlich nicht klar, wie die Sprechstunden in der Drogenambulanz ablaufen. Man sagt Guten Tag und Auf Wiedersehen, und damit hat es sich. Ich untersuche den Junkie, stelle ein Rezept aus, und schon ist er wieder weg. Ich bin kein Psychiater.«
    »Hat Duruy in der Ambulanz auch seelische Betreuung gesucht?«
    »Das glaube ich eher nicht. Philippe wollte keine Hilfe. Er lebte auf der Straße, weil es seine Wahl war.«
    »Hatte er außer seinen Suchtproblemen noch andere gesundheitliche Beeinträchtigungen?«
    »Vor einigen Jahren hatte er sich mit Hepatitis C angesteckt, nahm allerdings weder Medikamente noch befolgte er eine Diät. Ich kann nur sagen: Selbstmord auf Raten.«
    »Wissen Sie, wie er heroinabhängig wurde?«
    »Auf die übliche Weise, denke ich. Erst Haschisch, dann ein heißer Rave mit Ecstasy. Eines schönen Sonntagmorgens nimmt man Heroin, weil es die unangenehmen Nebenwirkungen von Ecstasy unterdrückt. Und am Montag ist man abhängig. Immer der gleiche Schlamassel.«
    Der Arzt war vor einer schwarzen Mercedes S-Klasse stehen geblieben. Plötzlich wirkte er sehr müde und ließ zum ersten Mal seine Maske fallen. Reglos stand er mit dem Schlüssel in der Hand vor seinem Auto. Doch bereits eine Sekunde später hatte er sich wieder in der Gewalt und drückte auf den Türöffner.
    »Ich muss Ihnen übrigens sagen, dass ich Ihre Fragen nicht ganz verstehe. Wieso schaltet sich die Kripo ein, wenn Philippe an einer Überdosis gestorben ist?«
    »Duruy ist zwar an einer Überdosis gestorben, doch es war Mord. Jemand hat ihm eine tödliche Dosis Heroin gespritzt, und zwar ganz reines Heroin. Anschließend hat sein Mörder ihm den Schädel mit einem Stierkopf zerquetscht, den er ihm gewaltsam bis auf die Schultern gedrückt hat.«
    Thiaux, der gerade seinen Kofferraum geöffnet hatte, wurde kalkweiß. Anaïs weidete sich an dem Schauspiel. Die schöne Selbstsicherheit des Mediziners zerschmolz wie Eis in der Sonne.
    »Wer macht denn so etwas? Ein Serienmörder?«
    Heutzutage führte alle Welt dieses Wort im Mund, als handele es sich um ein allgemein bekanntes, gesellschaftliches, irgendwo zwischen Arbeitslosigkeit und beruflichem Selbstmord angesiedeltes Phänomen.
    »Sollte es sich tatsächlich um eine Serie handeln, dann hat sie gerade erst begonnen. Hat er mit Ihnen über seine Dealer gesprochen?«
    Der Arzt warf seine Sporttasche in den Kofferraum und schloss ihn mit kurzem Druck auf die Haube.
    »Nein. Nie.«
    »Als Sie ihn das letzte Mal sahen, hat er da von einem neuen Dealer oder einem Stoff von außergewöhnlicher Qualität gesprochen?«
    »Nein. Er schien im Gegenteil entschlossener denn je zu sein, mit dem Rauschgift aufzuhören.«
    »Und seither haben Sie ihn nicht wiedergesehen? Auch nicht in einem ganz anderen Zusammenhang?«
    Thiaux öffnete die Wagentür.
    »Nein.«
    »Wir werden das überprüfen«, sagte Anaïs und steckte die Hände in die Taschen.
    Sofort bereute sie ihre letzten

Weitere Kostenlose Bücher