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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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zurück. Freire brauchte nicht mehr zu Hypnose oder irgendwelcher Chemie zu greifen.
    »Hattest du vor Sylvie schon einmal ernsthafte Beziehungen?«
    Der Riese zögerte kurz, ehe er leise zugab:
    »Mit den Frauen hat es bei mir eigentlich nie so gut geklappt.«
    »Also keine Affären?«
    »Eine. Ende der 1980er Jahre.«
    »Wo?«
    »In der Nähe von Montpellier. In Saint-Martin-de-Londres.«
    »Wie hieß die Dame?«
    »Müssen wir wirklich darüber sprechen?«
    Freire nickte. Er hielt den Blick starr auf die Straße gerichtet. Biscarosse. Mimizan. Mézos. Weiterhin nichts als Kiefern und Sprühregen. Die Monotonie war geradezu lähmend.
    »Marina«, murmelte Patrick. »Sie wollte mich unbedingt heiraten.«
    »Und du?«
    »Eigentlich nicht. Aber dann haben wir doch geheiratet.«
    Mathias war überrascht. Bonfils hatte tatsächlich einmal den Bund fürs Leben geschlossen. Erstaunlich!
    »Hattet ihr Kinder?«
    »Nein. Ich wollte keine.«
    »Warum?«
    »Die Erinnerungen an meine eigene Kindheit sind nicht die allerbesten.«
    Freire ging nicht weiter darauf ein. Er würde lieber die Akten durchforsten. Offenbar war Bonfils in ziemlich problematischen Verhältnissen aufgewachsen. Möglicherweise hatte es in der Ehe der Eltern nicht nur Alkoholmissbrauch, sondern auch häusliche Gewalt gegeben. Die Ursache für die dissoziative Identitätsstörung des Riesen konnte in einer chaotischen Kindheit liegen.
    »Wie ging es mit Marina dann weiter? Habt ihr euch scheiden lassen?«
    »Nein, nie. Ich bin einfach eines Tages abgehauen. Ich glaube, sie lebt inzwischen in Nîmes.«
    »Warum hast du sie verlassen?«
    Bonfils antwortete nicht. Auch damals war er also geflohen, allerdings ohne sich eine neue Identität aufzubauen. Freire stellte sich einen Mann vor, der jede Art von Bindung ablehnte und sich von seinem Zögern, seinen spontanen Regungen und seinen Ausweichmanövern leiten ließ.
    Im Auto wurde es still. Langsam kam die Sonne zum Vorschein und färbte den Himmel rostrot. Ortsschilder huschten vorüber. Hossegor. Capbreton. Die Waldlandschaft endete, und Mathias fühlte sich unendlich erleichtert. Er dachte, Bonfils wäre eingeschlafen, doch plötzlich tauchte die große Gestalt wieder im Rückspiegel auf.
    »Sag mal, Doc, kann ich einen Rückfall bekommen?«
    »Dafür gibt es keinen Grund.«
    »Ich erinnere mich an gar nichts mehr. Was habe ich dir alles erzählt?«
    »Darüber sollten wir jetzt besser nicht mehr sprechen.«
    Natürlich hätte Freire gern jedes einzelne Detail untersucht und die Schöpfungen von Bonfils’ Unterbewusstsein enträtselt. Am liebsten hätte er ihn unter Beobachtung behalten und wäre den verschlungenen Pfaden seines Seelenlebens gefolgt.
    Als ob er den gleichen Gedanken gehabt hätte, fragte Bonfils plötzlich:
    »Wirst du dich auch weiter um mich kümmern?«
    »Natürlich. Ich werde dich ab und zu besuchen. Aber wir müssen mit den Ärzten in deiner Gegend zusammenarbeiten.«
    »Ich will aber keinen anderen Spychiater.« Bonfils verstummte einen Moment, weil er sich an etwas zu erinnern schien. »Was hatte eigentlich die Geschichte mit dem Engländer, dem Telefonbuch und dem Blut zu bedeuten?«
    »Darüber weiß ich genauso wenig wie du, Patrick. Aber wenn du mir vertraust, werden wir es sicher eines Tages herausfinden. Ganz bestimmt sogar.«
    Der Riese sank auf dem Rücksitz in sich zusammen. Die Ausfahrt Biarritz wurde angekündigt.
    »Nimm die«, ließ sich der Cowboy von hinten vernehmen. »Ich habe meinen Wagen am Bahnhof geparkt.«
    »Dein Auto? Daran erinnerst du dich?«
    »Ich glaube schon.«
    »Weißt du denn auch, wo deine Schlüssel sind?«
    Bonfils kramte in seinen Hosentaschen. »Scheiße«, brummte er. »Stimmt. Ich habe keine Ahnung.«
    »Und wo ist dein Führerschein?«
    »Das weiß ich auch nicht. Ich weiß überhaupt nichts mehr.«
    Freire nahm die Abfahrt trotzdem und folgte der Beschilderung Richtung Biarritz. Die Umgebung veränderte sich. Die Sonne strahlte klar vom Himmel. Die Straßen hoben und senkten sich, als folgten sie einer zufälligen Laune. Die roten und blauen Fachwerkhäuser schienen einer anderen Zeitrechnung oder einer anderen Kultur zu entstammen. Von den Kuppen der Hügel ergossen sich rosa Ziegeldächer bis hin zum Meer. Die Landschaft wirkte schön, wild, makellos und fast primitiv.
    »Vergiss das Auto«, sagte Bonfils leise. »Nimm die Küstenstraße. Nach Bidard kommt schon Guéthary.«
    Sie folgten der mit Ginster und Heidekraut gesprenkelten Küste,

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