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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Ecstasy-Rausch, Nächte im Freien, danach das Erwachen an unbekannten Orten, ohne die geringste Erinnerung. Ein Tag verging wie der andere; das Einzige, was blieb, war die Hoffnung, eines Tages da herauszukommen.
    Raoul ließ sich unterdessen über Duruys Musikgeschmack aus.
    »Immer wieder sage ich ihm, dass seine Musik Scheiße ist. Da kupfert doch einer vom anderen ab. Marilyn Manson klingt wie Alice Cooper, und Techno klingt wie Kraftwerk. Und R&B …«
    »… wie Isaak Hayes.«
    »Genau. Es ist immer das gleiche Zeug.«
    »Wovon hat Fifi gelebt?«
    »Er bettelt, genau wie ich.«
    »Hier in Bordeaux?«
    »In Bordeaux und wo immer er hingeht. Hast du vielleicht noch Wein?«
    Anaïs reichte ihm den zweiten Schlauch, den er ebenfalls in einem Zug hinunterstürzte. Dieses Mal rülpste er nicht, doch Anaïs befürchtete, dass er sich in die Hose pinkeln würde. Er trug einen Mantel mit Fischgrätmuster, der so schmutzig war, dass man das Muster kaum noch erkennen konnte, eine vor Schmutz starrende Drillichhose und völlig abgetragene Stoffschuhe an den nackten, schmutzigen Füßen. Trotz ihrer verstopften Nase hatte Anaïs es vorgezogen, sich Wick VapoRub in die Nasenlöcher zu schmieren.
    Raoul warf die leere Packung quer durch die Zelle. Es war höchste Zeit, zum eigentlichen Punkt des Verhörs zu kommen.
    »Vor ein paar Tagen hat Fifi dir von einem Engel erzählt.«
    Raoul drängte sich in eine Ecke und kratzte sich den Rücken wie ein Tier, indem er die Schultern auf- und abbewegte.
    »Ja, ja, ein Engel«, kicherte er. »Ein Engel, der ihm Engelsschnee geben wollte.«
    Der Mörder . Zum ersten Mal wurde er erwähnt.
    Anaïs formulierte ihre nächste Frage möglichst klar.
    »Kannte er den Mann gut?«
    »Nein, er hatte ihn gerade erst kennengelernt.«
    »Was genau hat er über ihn gesagt?«
    »Dass er ihn in den Himmel bringen würde. Er sprach die ganze Zeit vom heiligen Julianus irgendwie.«
    »Julianus Hospitator oder Julian der Gastfreundliche.«
    »Genau.«
    »Und warum?«
    Plötzlich schien Raoul einen klaren Moment zu haben.
    »Fifi hat die Schule nicht besonders lang besucht, aber an diese Legende hat er sich wohl erinnert. Julian war ein Prinz, der seine Eltern aus Versehen getötet hat. Er geht weit fort und wird Fährmann. Eines Nachts bittet ihn ein Leprakranker, ihn über den Fluss zu setzen. Julian nimmt ihn mit nach Hause, gibt ihm zu essen und wärmt ihn mit seinem Körper. Der Leprakranke, der in Wahrheit Jesus Christus war, nahm ihn in den Himmel auf. Fifi hat gesagt, dass genau dieser Engel nun auch zu ihm gekommen wäre und ihn in den siebten Himmel mitnehmen würde.«
    »Wieso fiel ihm ausgerechnet diese Legende ein?«
    »Weil sein Engel leprakrank war.«
    »Er hatte Lepra?«
    »Sein Gesicht war komplett bandagiert.«
    Anaïs versuchte sich die Situation vorzustellen. Ein Typ mit bandagiertem Gesicht läuft Philippe Duruy über den Weg und schlägt ihm einen Megatrip vor. Der Aussteiger gibt sich Fantasievorstellungen über den Mann und seinen Vorschlag hin. Ob das Treffen wohl von einer Überwachungskamera gefilmt worden war?
    »Als du Fifi das letzte Mal gesehen hast, was hat er da gesagt?«
    »Dass er sich noch am selben Abend mit dem Leprakranken treffen würde und sie gemeinsam den Fluss überqueren wollten. Spinnereien halt.«
    »Weißt du, wo sie sich treffen wollten?«
    »Am Flussufer in der Nähe der Place Stalingrad. Fifi war richtig aufgeregt.«
    »Um wie viel Uhr?«
    »Keine Ahnung. Irgendwann am späten Nachmittag.«
    Nun ging Anaïs ins Detail.
    »Fifi hat doch einen Hund, oder?«
    »Klar, wie alle Aussteiger. Hast du vielleicht noch Wein?«
    »Nein. Wie heißt der Hund?«
    »Mirwan. Das ist der Name eines georgischen Heiligen. Er hat echt ein Rad ab, unser Fifi.«
    »War der Hund an diesem Tag bei ihm?«
    »Natürlich.«
    »Hast du den Hund seither wiedergesehen?«
    »Weder den Hund noch Fifi.«
    Seine Stimme erlosch. Er hatte seine gesamte Energie verbraucht. Selbst seine Augen wurden matt. Mehr Wein hätte diesem Zustand vielleicht abgeholfen, doch Anaïs hatte keinen mehr. Sie stand auf, wobei sie es sorgfältig vermied, den Schmutzfink zu berühren.
    »Du kannst jetzt gehen.«
    Sie klopfte an die gläserne Trennscheibe der Zelle. Ein Wärter tauchte auf.
    Hinter ihr fragte Raoul:
    »Was ist denn mit Fifi passiert?«
    »Das wissen wir nicht.«
    Während die Tür geöffnet wurde, lachte Raoul auf.
    »Ihr Bullen mögt uns vielleicht für blöd halten, aber ihr seid allesamt noch

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