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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Lebensgefährtin waren am Spätnachmittag des Vortags in die Gerichtsmedizin von Rangueil bei Toulouse gebracht worden. Zweifellos lag der Bericht Martenot längst vor. Wahrscheinlich hatte er ihn erst einmal seinen Vorgesetzten vorgelegt, ehe er ihn weitergab. In einem derart prekären Zusammenhang musste jede Aktion abgewogen und analysiert werden. Vielleicht hatte die Armee sogar bereits einen eigenen Arzt für ein Gegengutachten abgestellt.
    Martenots Stimme drang wieder in ihr Bewusstsein.
    »Darf ich Sie zu einem Kaffee einladen?«
    »Sehr gern«, lächelte sie. »Aber vorher muss ich kurz telefonieren.«
    Auf dem Pfad zur Straße blieb sie ein Stück zurück und wählte Conantes Nummer. Der Kollege nahm schon während des ersten Läutens ab.
    »Ich bin es«, meldete sie sich. »Gibt’s was Neues?«
    »Dann hätte ich angerufen.«
    »Du musst mir einen Gefallen tun. Fahr bitte sofort zu mir nach Hause.«
    »Hast du vergessen, deine Blümchen zu gießen?«
    »Frag bei der Hausmeisterin nach dem Schlüssel. Du musst sehr überzeugend auftreten, denn sie ist ziemlich dickköpfig. Zeig ihr deine Marke.«
    »Und was soll ich bei dir?«
    »Auf meinem Schreibtisch liegen Ausdrucke, die ein Nummernschild zeigen. Finde den Halter raus und ruf mich sofort zurück.«
    »Wird gemacht. Und wie sieht es in Biarritz aus?«
    Anaïs blickte auf. Die Gestalten der Gendarmen verschwanden in Regenschwaden. Dicke Tropfen pladderten auf die Schienen. Kiefern und Ginster schienen im Wasserdunst zu schweben.
    »Ziemlich feucht. Ruf mich an.«

L os, beweg deinen Arsch. Der Wagen ist da.«
Schwerfällig stand Janusz auf. Er schien nur noch aus Muskelkater und Schüttelfrost zu bestehen. Sein Plan, seine Recherchen und seine Beobachtungsstrategie hatten sich im Lauf des Abends verflüchtigt. Bis zum Einbruch der Nacht waren sie weitergelaufen, um sich schließlich am Ausgangspunkt wiederzufinden – unter den Arkaden des Club Pernod gegenüber dem Vieux-Port. Janusz war in einem Zustand, in dem er nur noch davon träumte, es irgendwo ein wenig warm und weich zu haben.
    Gegen sieben Uhr hatte Bernard eine Telefonkarte hervorgekramt und die Nummer des Sozialdienstes angerufen. Jeden Abend machten speziell zu diesem Zweck eingesetzte Wagen die Runde, um die Obdachlosen in die Wärmestuben zu bringen. Wer noch nicht zu betrunken war, rief an, ehe die nächtliche Kälte ihm den Rest gab. Die anderen wurden von Patrouillen aufgelesen, denen ihre Standorte bekannt waren. In Marseille schlief im Winter so gut wie kein Penner auf der Straße.
    Die Männer vom Sozialdienst sprangen aus einem Citroën Jumpy und halfen denen, die nur noch torkelten. Einige von ihnen weigerten sich, in das Auto zu steigen.
    »Ich habe mich für die Straße entschieden«, lallte ein Mann mit rauer Stimme.
    Ein anderer wehrte sich ungeschickt. Sein Körper war schlaff und weich wie ein Schwamm.
    »Lasst mich in Frieden. Ich will nicht in die Sterbeanstalt.«
    »Die Sterbeanstalt?«, erkundigte sich Janusz.
    »Er meint La Madrague«, erklärte Bernard und packte sein Bündel zusammen. »Mach dir nichts draus. Für Typen wie uns ist es das Beste, was es gibt.«
    Benommen vor Kälte und Müdigkeit begriff Janusz nur, dass er seinem Ziel näher kam. Die hinteren Türen des Lieferwagens wurden geöffnet.
    »Hallo, Bernard«, rief der Fahrer durch die Trennscheibe aus Plexiglas, die das Führerhaus vom Passagierraum abtrennte.
    Bernard antwortete mit seinem Hyänenlachen, warf seine stinkenden Bündel in den Wagen und stieg ein. Janusz folgte seinem Beispiel. Der Geruch nahm ihm fast den Atem. Es stank nach Dreck, Urin, Exkrementen und Verdorbenem. Mit angehaltenem Atem tastete er sich in den dunklen Innenraum, stieß sich Knie und Arme und stolperte über Bündel. Schließlich fand er einen Sitzplatz. Bernard war verschwunden.
    Der Jumpy setzte seinen Weg fort. Nachdem sich Janusz’ Augen allmählich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, nahm er seine neuen Kameraden wahr. Etwa ein Dutzend Menschen saßen auf zwei einander zugewandten Bänken. Äußerlich unterschieden sie sich kaum von den Figuren, mit denen er heute den ganzen Tag lang zu tun gehabt hatte, doch im Licht der vorüberhuschenden Straßenlaternen nahmen sie das groteske Aussehen von Wasserspeiern an.
    Da gab es einen Mann mit kahlrasiertem Schädel, dessen Gesicht nur aus zwei starren Augen zu bestehen schien. Ein anderer schlief mit dem Kopf zwischen den Armen in einem Haufen Lumpen. Kaum jemand bewegte

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