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Der Utofant

Der Utofant

Titel: Der Utofant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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durch die Stadt bewegende wie auch sich selbsttätig eingrabende Wagen eine kybernetische Meisterleistung darstellt. Bürger, die, von der Arbeit kommend, der Zeremonie zusahen, waren über diese Art Begräbnis schockiert, etwas Unheimliches schien sie anzuwehen ...

    Schenken wir uns das Unheimliche, sagte der Kommissar. Nicht steht in diesem Bericht, daß der Diener des Ernst Remm mit einem Reisepaß das Land verlassen hat, angeblich um Verwandte in Australien zu besuchen. Wir haben das erst jetzt erfahren. An dem Begräbnis hat er nicht teilgenommen, obwohl er, wie wir ermitteln konnten, ein recht harmonisches Verhältnis zu seinem Chef gehabt hat. Er scheint den kybernetischen Begräbniswagen und alles, was daranhängt, noch präpariert zu haben. Sie können sich vorstellen, daß wir gleich nach dem Trauerakt, dem außer den erwähnten Schaulustigen kein Mensch beiwohnte, das Grab geöffnet haben. Die Untersuchungen ergaben, daß Mord nicht vorliegt. Remms Tod ist vor drei Tagen ordnungsgemäß aufgrund von Altersschwäche eingetreten. Das kybernetische System, das unsere Bürger so erschreckte, ist technisch ausgereift, intelligent gemacht, stellt aber nichts Besonderes dar. Wir haben das Grab wieder zugeschüttet und herrichten lassen. Die Stadtverwaltung hat einen würdigen Kranz daraufgelegt.
    Der Mann soll ja Verdienste haben. Man kann die Sache als skurril, absonderlich, doch vorläufig noch nicht als kriminell bezeichnen. Die Grabplatte mit der zitierten Inschrift ist so gelassen worden, wie sie war. Der Stadtrat überlegt zwar, ob man den Nebensatz,… die euch noch schaffen werden, fortsticheln sollte, weil er die Bürger beunruhigen könnte. Es gibt die Gegenmeinung, erst wenn der Satz entfernt werde, wird Unruhe erzeugt, auch lasse sich der Nebensatz mit Wucherblumen überdecken. Es bleibt nun noch die Aufgabe, die Villa Remm zu untersuchen, die dort vorhandenen Gegenstände zu inventarisieren, ihren Wert für die Allgemeinheit festzustellen, eventuelle Erben zu benachrichtigen und ein womögliches Inkrafttreten des Remmschen Nebensatzes auszuschließen. Dafür suche ich einige sachverständige Herren. Die werden Sie nicht finden. Wer wird sich unverhofften, handgreiflichen, postmortalen Scherzen dieses verschrullten Kybernetiktüftlers aussetzen wollen? Etwa beim Offnen der Haustür einen Holzhammergruß auf den Kopf? Beim Treppenaufstieg einen Absturz, weil plötzlich die Stufen nach Art optischer Täuschungen umklappen? Wer will riskieren, wenn er sich in einen Remmschen Sessel setzt, von diesem durch das Zimmer bis an ein Fenster gefahren und rausgekippt zu werden, so daß er sich inmitten stachliger Rosen wiederfindet? In dieser Villa kann niemand einen Gegenstand anfassen oder ihm zu nahe kommen, ohne das Opfer eines rauhen Scherzes zu werden. Ich öffnete einmal dort die Hausbar, um mir ein bißchen Whisky nachzugießen, schon schnellte eine Hand heraus, haute mir eine runter, und eine tiefe Stimme sagte, sauf nicht soviel. Ich saß friedlich in einem Sessel und zündete mir eine Zigarette an, plötzlich trat aus dem Schrank ein Skelett, griff meine Hand und schnarrte, sei gegrüßt, Lungenkrebskandidat. Wir sind Wissenschaftler, Herr Kommissar, aber keine Versuchspersonen für Scherze, die allenfalls in einer Slapstickkomödie am Platze wären. Wir sehen uns lieber, falls uns danach zumute ist, die Ausstellung der KybernetikScherzartikel-Bastler an. Da werden wir nicht Opfer. Auf alle Fälle könnten wir es uns verbitten. Soll eine Kommission die Villa Remm besichtigen. Aber ohne mich. Wenn Sie mich fragen, ich würde die Remmsche Behausung zusammenhauen, durch Großbagger aufladen und in die nächste Müllgrube werfen. Mit boshaften Scherzen scheint mir die Menschheit ausreichend versorgt zu sein.
    Wer garantiert Ihnen, sagte der Kommissar, daß sich der Remmsche Müll nicht plötzlich in Bewegung setzt und in die Stadt zurückmarschiert? Daß sich aus ihm nicht zehntausend kybernetische Ratten graben und Straßen sowie Häuser verunsichern? Fangen Sie mal so viele Ratten ein! Was das dann wieder kostet. Eine sorgfältige, fachmännische Untersuchung dieser Villa dürfte doch das Risiko, Scherzen zum Opfer zu fallen, relativ klein halten. Und ein kybernetischer Floh, der einem in die Hose hüpft, wird doch auszuhalten sein. Darüber lacht man eben. So kann nur einer sprechen, der nie so einen Floh in seinem Anzug hatte. Ich habe Remm besucht, und wissen Sie, wann ich die Flöhe losgeworden

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