Der Utofant
Auftrag des Innenministeriums, sondern auch den des Regierungspräsidenten. Es geht hier nicht allein um Sicherheit, auf die man wegen des Remmschen Nebensatzes achten muß, sondern ums wissenschaftliche kulturelle Erbe. Das hört sich seltsam an, aber auch die Polizeiorgane haben damit etwas zu tun.
Ich finde dafür keine Fachleute, sagte der Kommissar, weil jeder sich vor Remmschen Scherzen fürchtet.
Es war ein Fehler, den Diener ausreisen zu lassen. Er soll zuletzt auf den Seychellen gesehen worden sein, seitdem fehlt jede Spur. Die Akte allerdings besagt, daß er nicht allzuviel gewußt hat. Er war ein Zureichknecht für Remm, Nichtkybernetiker. Den können wir abschreiben. Zu kostspielig, nach ihm zu fahnden. Wir sollten auch nichts übereilen. Wenn es uns nicht gelingt, mit psychologischem Geschick die hochstudierten Leute darauf hinzuweisen, daß sich der echte Wissenschaftler durch Risikobereitschaft auszeichnet, dann hilft nichts, als zu warten, bis eines Tages der richtige Mann gefunden wird. Er meldet sich vielleicht von selbst. Der Kommissar verließ mißmutig das Polizeipräsidium. Die Menschheit ist feige geworden, dachte er, Risikodenken ausgestorben. Darum hängen einem auch so viel unerledigte Fälle jahrelang am Hals. Nie kann man tabula rasa machen. Nie hat man seine Ruhe.
Er beschloß, im Alleingang in die Remmsche Villa einzudringen. Vielleicht ist da gar nichts, vielleicht hat Remm uns nur genarrt, und es gibt keine Erfindungen, die uns noch schaffen werden. Er öffnete die Tür des Vorgartens. Deren Klinke verwandelte sich augenblicklich in eine Greifklaue, die seine Hand festhielt. Eine technische Stimme höhnte, gefangen, wenn ich mich nicht irre, gefangen, hihihi. Es gelang zwar dem Rettungstrupp, die Hand des Kommissars aus Remms Vorgartentür herauszuschweißen, aber nicht, das Stück Greifklaue, das sie umklammerte, zu lösen. Er wurde damit in die Notambulanz gebracht, wo der diensthabende Chirurg zur Abnahme der Hand riet. Das sei am einfachsten.
Der Kommissar erreichte, daß seine Hand mitsamt der festsitzenden Greifklaue durchleuchtet wurde. Dabei ging das Röntgengerät entzwei, und auf der Aufnahme war nichts zu erkennen. Als man eine Zange ansetzte, verschmolz sie mit den Eisenteilen der Klaue. Jetzt riet ein Konsilium städtischer Chirurgen, die Hand zu amputieren und sie durch eine Remmsche Prothese zu ersetzen, die sei im Grunde besser als eine Hand.
Der Kommissar konnte noch scherzen: Wenn ich weiter ins Haus eindringe, wird eine Amputation nach der anderen nötig werden, was soll dann von mir übrigbleiben?
Er inserierte nach einem fähigen, in Kybernetik erfahrenen Reparateur, der allerdings für seine Mühe das Jahresgehalt eines nicht ganz so schlechten Staatspräsidenten verlangte. Er behauptete, sehr viel Zeit zu benötigen. Bevor er an die Arbeit ging, fertigte er mehrere Zeichnungen an und vergrößerte sie. Immerhin hatte er nach sechs Wochen mit der Akribie des ausgefuchsten Kybernetiktüftlers die Greifklaue der Remmschen Gartenpforte aus der Hand des Kommissars gelöst. Nachdem er den Rest des Geldes kassiert und die Einzelteile des Systems auf den Tisch gelegt hatte, die meisten waren durch seinen Eingriff unbrauchbar geworden, ließ er nichts mehr von sich hören. Er hatte sich auch geweigert, an der Erkundung des Remmschen Grundstücks teilzunehmen. Die Klaue hätte ihm schon gereicht. Ein halber Finger der rechten Hand des Kommissars lag auch zwischen den Teilen des Systems. Die Rechnung zahlte teils die Kasse, teils die Polizei. Der Kommissar versuchte nicht mehr, weiter in das Haus zu dringen. Durch sein Erlebnis hatte er auch andere, die es sich vielleicht doch noch überlegt hätten, abgeschreckt.
Remms Grab indessen überzog sich mit Grünspan, Beweis für echtes Kupfer in der Platte. Efeu überkroch die Inschrift.
Der Kommissar trat in den Ruhestand, der Fall Remm wurde keinem Nachfolger übergeben, sondern dem Archiv.
In manchen Sauregurkenzeiten tauchten im STADTKURIER und in ein paar Blättern, die vom KURIER zu zehren pflegten, standardisierte Anfragen auf. Wo bliebt die Erschließung des Remmschen Erbes? Denn Remm war unser. Wo bleibt die Rezipierbarmachung des Remmschen Vermächtnisses für unsere Jugend? Die Öffentlichkeit war daran gewöhnt, und der Mann auf der Straße wußte kaum, wer dieser Erbonkel Ernst Remm gewesen war. Er schlug einen Bogen um die Villa Remm. Wer weiß, was da rauskommt.
2
Mit einer Blechkassette voller
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