Der Väter Fluch
irgendeine plausible Geschichte aus, die ihn nicht gleich nach seinem Anwalt rufen lässt.«
»Wie wär's damit: Wir vermuten, dass die Baldwins ihren Einfluss geltend gemacht haben, um ihre jugendlichen Klienten an bestimmten Universitäten unterzubringen, und würden gern Tarpins Meinung dazu hören«, schlug Marge vor.
»Das ist keine Geschichte, das ist die Wahrheit«, sagte Oliver. »Die Baldwins haben ihre Connections genutzt, um ihre Kids an die Eliteunis zu kriegen.«
»Umso besser. Das macht uns glaubwürdiger«, meinte Decker.
»Tarpin wird darüber nichts wissen«, warf Martinez ein. »Er ist nur der Campausbilder.«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, widersprach Decker. »Vielleicht haben ihm einige der Jugendlichen davon erzählt, wie sehr sie von den Baldwins abhängig waren, wenn es um die Zulassung zu einer bestimmten Uni ging, und dass sie nur deshalb zustimmten, am Naturcamp der Baldwins teilzunehmen. Wenn du eine bessere Taktik weißt, Bert, dann schieß los.« Schweigen.
»Okay, dann setze ich also Bert und Tom auf Tarpin an.« Decker trug die Aufgabenverteilung in sein Dienstbuch ein. »Als Nächstes müssen wir uns Maryam Estes im Büro der Baldwins vornehmen.«
»Ist der Durchsuchungsbefehl schon durch?«, fragte Marge.
»Noch nicht.« Decker blickte von seinem Notizbuch auf; sein Blick wanderte von Marge zu Oliver und wieder zurück. »Aber selbst wenn ihr jede einzelne Akte durchsuchen könntet, müsstet ihr den Bereich eingrenzen. Versucht also, Estes auf eure Seite zu bringen. Ich will, dass ihr herausfindet, ob es irgendwelche Jugendlichen oder Eltern gegeben hat, die einen Groll gegen die Baldwins hegten. Noch irgendwelche Fragen?«
Keine.
»Dann los.« Decker wandte sich an Bontemps. »Sie können die Prüfungskommission der Psychologenkammer anrufen und herausfinden, ob es in der Vergangenheit - sagen wir in den letzten zehn Jahren - irgendwelche Beschwerden über die Baldwins gegeben hat. Überprüfen Sie bitte auch die Bankunterlagen der Baldwins, Immobilien, Vermögenswerte, einfach alles, was Sie kriegen können. Vielleicht finden Sie ja heraus, wie viel sie wert waren oder ob irgendwelche größeren Summen bewegt wurden. Danach kümmern Sie sich bitte um die Versicherungen - welche Versicherungspolicen sie hatten, wer der Begünstigte ist, wer vom Tod der Baldwins irgendwie profitiert.«
»Irgendjemand sollte auch klären, ob die Baldwins Eheprobleme hatten«, warf Martinez ein. »Das würde die Doppelmord-Selbstmord-Theorie stützen.«
»Wanda, Sie hören sich bitte auch mal um, wie ihre Ehe war. Irgendwelche Neuigkeiten zu Ruby Rangers Aufenthaltsort?«, fragte Decker.
»Ich mache jeden Tag die Telefonrunde. Bisher hat niemand der Kolle gen im Norden ihren Wagen gesehen«, antwortete Wanda. »Dann ist sie vielleicht gar nicht da oben. Bleiben Sie trotzdem am Ball.« Decker schrieb Wandas Auftrag in sein Dienstbuch. »Ich glaube, fürs Erste haben wir alle genug zu tun. Ich selbst fahre gleich zum Leichenschauhaus und sehe mal nach, was die Pathologie herausgefunden hat. Ernestos Leiche wurde vor einer Stunde freigegeben. Die Beerdigung ist für achtzehn Uhr angesetzt, und ich erwarte, dass dann alle dort sind. Was auch immer passiert ist, selbst wenn Ernesto an seinem eigenen Untergang beteiligt war, es bleibt eine schreckliche Tragödie für die Eltern. Falls jemand noch etwas Wichtiges zu sagen hat - jetzt wäre die Gelegenheit.«
Stille breitete sich aus.
Decker erhob sich. »Also dann: Adios, Amigos und viel Glück.«
Der größte Teil der Freiflächen in der Bibliothek wurde von Kisten und Klappstühlen vom Vortrag am Vorabend belegt - eine sehr erfolgreiche Veranstaltung mit über zweihundert Teilnehmern, laut Georgia Rackman, der Chefarchivarin des Zentrums.
Sie war eine große Frau mit kräftigen Hand- und Fußgelenken und einer beeindruckenden Frisur - blondiert und hochtoupiert. Sie hatte ein rundes, offenes Gesicht mit glatter Haut, und ihre braunen Augen wirkten durch den dick aufgetragenen Eyeliner besonders ausdrucksvoll. Georgia sprach mit einem breiten texanischen Akzent und war nicht gewillt, sich zu entschuldigen, wenn ihre Stimme hin und wieder das erträgliche Maß an Lautstärke überschritt.
»In Dallas«, so ihre Redensart, »packen wir alles groß an.«
Die Bibliothek stand voll mit Bücherregalen, die tausende von Bänden über den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg enthielten. So viele Titel... so viele Erinnerungen: Arcbives ofthe
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