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Der Väter Fluch

Der Väter Fluch

Titel: Der Väter Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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dass er mit niemandem je länger als eine Woche zusammen war. Er hat nur überlebt, weil er sich bis zum Ende versteckt hielt.«
    »Ich denke, jetzt mit neunzig hat er das Gefühl, sich das Recht nehmen zu können, nicht über die Vergangenheit zu sprechen.« Rina dachte einen Moment nach. »Gibt es etwas, das er besonders gern isst?«
    Georgia machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du kannst ihn nicht mit Essen ködern. Oscar hat keine Zähne mehr. Manchmal vergisst er sogar, sein Gebiss einzusetzen.«
    »Wie wär's mit einer selbst zubereiteten Suppe?«
    Georgia drehte ihre Hand abwägend hin und her. »Eine Suppe war vielleicht nicht schlecht.«
    »Soll ich ihm eine schöne Hühnersuppe kochen? Oder vielleicht eine richtig klassische Kohlsuppe mit flanken}«
    »Du könntest beides machen.«
    »Kein Problem. Ich bereite einfach zwei Töpfe Suppe zu und tu noch Matzebällchen und Kreplach-Teigtaschen in die Hühnersuppe. Unabhängig davon, ob er über seine schrecklichen Erfahrungen redet oder nicht - die Suppe bekommt er auf jeden Fall.«
    »Das ist keine schlechte Idee.« Georgia zuckte die Achseln.
    »Ich werde Oscar nach deinem Yitzchak Golding fragen. Aber sei nicht enttäuscht, wenn er sich weigert, mit dir zu reden.«
    »Wenn er erst mal meine Suppe probiert hat, kann er nicht mehr Nein sagen.«
    Georgia musterte Rina von Kopf bis Fuß. »Ich werd ihm sagen, dass du hübsch bist. Oscar hat neben einer Schwäche für gute Suppen auch ein Faible für hübsche Frauen.«

26
    Als Emma Lazarus ihre berühmten Worte unterhalb der Freiheitsstatue niederschrieb, muss sie Orte wie den Foothills-Bezirk des Los Angeles Police Department vor Augen gehabt haben - ein Viertel mit einer multikulturellen Bevölkerung, bestehend aus arbeitslosen und ums Überleben kämpfenden Weißen, Schwarzen, Lateinamerikanern, Asiaten und anderen Minderheiten, die zusammen die Gruppe der Einwanderer bildeten. Es war eine trockene Region, im Sommer heiß wie in der Sahara, sodass die Luft im diesigen Smog der Autoabgase flirrte. Dieses Viertel war für Decker fünfzehn Jahre lang sein Zuhause gewesen. Tag und Nacht hatte er dort gearbeitet, selbst als der Bezirk nach der Rodney-King-Geschichte unter strengster Überwachung stand. In diesem gottverlassenen Schmelztiegel namens Northeast Valley trug seit Jahrzehnten nur einer den Titel »Held des Jahrhunderts«, nämlich Ritchie Valens. Für Bert Martinez stand der längst verstorbene Sänger noch immer an der Spitze.
    Am Steuer seines Zivilfahrzeugs fuhr Martinez über die 5 North, vorbei an Häusergruppen mit abblätterndem Putz und Wohnblöcken, vorbei an Autowracks auf Grundstücken, die von Unkraut überwuchert wurden. Ihre Chrom- und Stahlteile reflektierten das grelle Sonnenlicht.
    »Nicht weit von hier bin ich zur Schule gegangen«, sagte Martinez.
    Webster warf ihm einen Blick zu. »Im Ernst?«
    »Ja. Pacoima High. Mein Mädchen für den Abschlussball wohnte direkt neben der Schnellstraße, als diese noch keine war. Damals gab es hier nichts außer Häusern und einem Billigkaufhaus.« Er starrte nach vorn durch die Windschutzscheibe. »Mein alter Herr war Anstreicher.«
    »Das wusste ich gar nicht.«
    »Ja, er und sein Bruder. In den beiden Familien gab es sieben Jungs. Mein Vater trug immer einen breiten, schwarzen Gürtel und hatte keinerlei Hemmungen, ihn auf unserem Hintern auszuprobieren.« Er lächelte. »Das war noch die Zeit, als der Kinderschutzbund sich hauptsächlich um eine warme Mahlzeit in der Cafeteria kümmerte.« Er schüttelte den Kopf bei dem Gedanken daran, wie schnell die Zeit verging. »Ich will damit nicht sagen, dass körperliche Züchtigung 'ne tolle Sache ist, aber weder ich noch meine drei Brüder haben es ihm je übel genommen. Damals war das eben so.«
    »Oder vielleicht wusste dein Vater auch einfach, wann es genug war.«
    »Ja, vielleicht.« Martinez holte tief Luft. »Als ich noch hier lebte, war das mein Zuhause. Jetzt kommt es mir so vor wie jedes andere heruntergekommene Viertel - deprimierend. Und dabei hat es sich noch nicht einmal so sehr verändert. Erstaunlich, was eine andere Perspektive doch ausmacht.«
    »Wohnen noch Verwandte von dir hier?«
    »Nein. Sobald jemand auch nur ein bisschen Geld beisammen hatte, zog er von hier weg.«
    »Wo wohnt Luis?«
    »Montebello.«
    »Da, wo er auch arbeitet.«
    »Ja. Hab ich dir schon erzählt, dass er inzwischen Sergeant ist?«
    »Nein. Gratulier ihm von mir.«
    »Mach ich. Die beiden anderen leben in

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