Der Väter Fluch
Holocaust, The Holocaust and the History of the Rise of Israel. Enzyklopädie des Holocaust, Tagebuch aus dem Warschauer Ghetto, Geisterbeschwörung... Aber die Juden waren nicht die einzige vertretene Volksgruppe. Es fanden sich auch Abhandlungen zu den Massakern an den Armeniern, zum Abwurf der Atombomben auf die Städte Hiroshima und Nagasaki und das dadurch verursachte Massensterben, zur Verfolgung der Kambodschaner unter Pol Pot, zum Bürgerkrieg zwischen den Huto und den Tutsi in Afrika oder zum Blutbad in der ehemaligen belgischen Kolonie Kongo. Rina war bewusst, dass keine Menschengruppe einer Kultur ihre Verfolgung als einzigartig darstellen konnte - ein trauriges Zeugnis über den Zustand der Menschheit.
Die kleine Bibliothek beschäftigte eine Vollzeitbibliothekarin, eine Teilzeitarchivarin und zwei Austauschstudenten aus Österreich, die ihren Zivildienst ableisteten, indem sie ein Jahr in diesem Zentrum arbeiteten.
Georgia saß an ihrem Schreibtisch vor dem Computer und sah die Schwarzweißfotos durch, die Rina ihr gegeben hatte. »Die sagen mir nicht viel. Ich weiß noch nicht mal, ob sie echt sind. Das Papier sieht ziemlich neu aus.«
Rina dachte über die verschiedenen Möglichkeiten nach. »Heutzutage kann man eine Menge mit Computern machen. Oder man hat vielleicht erst vor kurzem Abzüge von alten Negativen angefertigt.«
»Das wäre denkbar.« Georgia warf noch einmal einen Blick auf die Fotos. »Bedauerlicherweise sagen sie mir überhaupt nichts. Aber ich werde sie mal herumzeigen. So gut wie niemand hat Treblinka überlebt. Das weißt du ja selbst.«
Rina setzte sich neben sie. »Ja, das ist mir bekannt.«
»Es würde eine Menge bringen, wenn du dieses Blatt Papier mit der polnischen Handschrift hättest. Es könnte eine Arbeitserlaubnis sein, ein Visum oder Transportpapier... dieses Dokument würde uns bestimmt weiterhelfen.«
Rina seufzte. »Ich bin sicher, dass Mr. Golding es mir sofort überlassen hätte, wenn er es zur Hand gehabt hätte.«
»Und er weiß nicht, ob es sich bei der Sprache um Polnisch handelt?«
»Stimmt.«
»Das macht einen großen Unterschied. Weil es viele Juden gab, die im Warschauer Ghetto festgehalten wurden, besonders gegen Ende - bevor die Stadt dem Erdboden gleichgemacht wurde. Dort lebten Tschechen, Estländer, Letten, Litauer, Dänen, Schweden...« Sie hob ihre Hände. »Die Nazis liquidierten sie, sobald sie sie fanden. Es wäre wirklich von großem Nutzen, mehr Informationen zu bekommen.«
»Ich wette, auch Mr. Golding wünscht, er hätte mehr Informationen. Als ich mit ihm heute Morgen sprach, war er in einem schrecklichen Zustand. Ich könnte mir vorstellen, dass er sich kaum noch an das Gespräch erinnert.« Rina seufzte. »Der arme Mann.«
»Warum beschäftigt er sich ausgerechnet jetzt damit? Gibt es für ihn im Augenblick nicht wichtigere Dinge, über die er nachdenken sollte?«
»Vielleicht möchte er aber gar nicht nachdenken, Georgia. Außerdem verarbeiten Männer den Schmerz, indem sie sich irgendeine Beschäftigung suchen. Frauen hingegen reden.«
»Aha, du hast also auch diese modernen Psychoschmöker gelesen!«
»Nein, habe ich nicht. Aber ich beobachte meinen Mann. Sobald er nervös ist, fängt er an, im Haus rumzubasteln. Was nicht schlecht ist, denn Peter ist sehr geschickt im Umgang mit Werkzeugen. Wenn ihm etwas Sorgen bereitet, werden sämtliche tropfende Wasserhähne im Haus repariert...«
Georgia lächelte. »Und du weißt nicht mal sicher, ob dieser Yitzchak Golding noch lebt oder schon tot ist?«
»So ist es«, erwiderte Rina. »Ernesto Golding, der ermordete Junge, hat behauptet, er hätte einige Informationen über einen Yitzchak Golding, der in Treblinka starb. Auch sämtliche Verwandte des Mannes starben dort. Aber es wäre möglich, dass es noch einen anderen Yitzchak Golding gab, und das könnte Mr. Goldings Vater gewesen sein. Ich weiß es wirklich nicht, Georgia. Deswegen bin ich ja hier.«
»Woher hatte er die Informationen über den Golding, der in Treblinka starb?«
»Keine Ahnung.«
»Könnte er das alles erfunden haben?«
»Klar, denkbar wär's.« i!57_
»Weißt du, in welchem Jahr Yitzchak Golding starb?«
»Nein.«
»Ich fang mal mit den Unterlagen von Records of American Gathering an. Wenn das nicht weiterhilft, suchen wir beim Roten Kreuz, im Archiv von Yad Vashem, im Zentralarchiv, bei der jüdischen Flüchtlingsorganisation HIAS... oder, oder, oder. Das Problem ist nur, dass sich die meisten
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