Der Väter Fluch
eigentlich angestellt?«
»Das kann ich Ihnen leider nicht sagen, Mr. Holt. Die Untersuchungen laufen noch.«
Holt tippte wieder etwas. »Welcher Straftat auch immer Sie ihn verdächtigen...« - tipp, tipp, tipp - »... ich bin mir sicher, dass er es war.«
Decker schwieg einen Augenblick, dann meinte er: »Ich werde die Tür hinter mir schließen.«
»Sehr schön, sehr schön. Nehmen Sie doch noch etwas Gebäck mit.«
»Vielen Dank.« Decker öffnete eine der Messingtüren und schloss sie leise hinter sich. Die Teetasse gab ihm eine wunderbare Entschuldigung. Rasch ging er den Flur entlang, vorbei an Musik- und Wohnzimmer, zur anderen Seite der Wohnung, wo er auf eine weitere Messingdoppeltür stieß. Decker drückte auf die Klingel, und für einen Moment öffneten sich die Flügel in eine höhlenartige Küche. Die Türen der schwarzweiß lackierten Schränke besaßen eine glatte Oberfläche und keine sichtbaren Griffe. In der Mitte der Küche stand ein Profiherd mit acht Gasbrennern, über dem eine riesige Metallhaube als Dunstabzug hing. Selbst im ausgeschalteten Zustand produzierte der Herd noch eine beträchtliche Menge Restwärme. Sämtliche Arbeitsflächen bestanden aus nachtschwarzem Granit und waren vollkommen leer: kein einziges Küchengerät, kein Brotkasten, keine Mehl- oder Zuckerbehälter, keine Blumen, kein Schnickschnack, keine Bücher oder andere Kochutensilien, mit Ausnahme eines Blocks, in dem mehrere Messer mit Stahlheft steckten - so anheimelnd wie das Leichenschauhaus von L. A. George stand vor einem Edelstahlbecken und spülte die Teekanne aus. Langsam drehten seine gekrümmten, arthritischen Hände das Porzellangefäß unter dem Wasserstrahl. Ohne sich umzudrehen, sagte er schließlich: »Der Junge war nicht durch und durch schlecht.«
»Ich denke, Sie haben Recht«, erwiderte Decker. »Es gibt immer auch eine andere Seite.«
»Er hatte es wirklich nicht leicht. Ein harter Vater, eine schlechte Mutter.«
»Wie lange arbeiten Sie schon für Mr. Holt?«
»Seit sechzig Jahren.«
Philip Holt sah aus wie Anfang fünfzig. »Das heißt, Sie waren schon bei Mr. Holts Vater beschäftigt?«, fragte Decker.
»Ja, Sir. Für Ezekial Holt. Ein intelligenter Mann - ja, das war er. Und ein guter Mann, aber mit Problemen. Er hat den Jungen verzogen. Sie beide - er und seine Mutter, Inez. Sie haben den Jungen verzogen.«
»Darrell verzogen?«
»Nein, Philip. Als Philip diese Frau heiratete, hat es Inez das Herz zerrissen. Sie wusste von Anfang an, dass diese Frau nichts taugte. Aber Philip wollte nicht auf seine Mutter hören. Philip... sah nur das, was er sehen wollte.«
»Hatte Philip eine Auseinandersetzung mit seinen Eltern wegen dieser Frau... wie war doch gleich ihr Name?«
»Dorothy. Aber alle nannten sie Dolly Sue.«
»Was geschah, nachdem Philip Dolly Sue geheiratet hatte?«
»Er hat sich sowohl mit seiner Mutter als auch mit seinem Vater gestritten. Beide waren gegen die Heirat.«
»Promiskuitiv«, sagte Decker.
»Sie mochte alle Männer - und nahm sie sich. Dolly mit ihren hübschen blauen Augen und ihren hellen, seidigen Haaren. Hat in einem fort geflirtet und mit diesem Südstaatenakzent geredet. Philip war völlig hin und weg.«
Blaue Augen, blondes Haar, Südstaatenakzent. »Sie war eine Weiße«, stellte Decker fest.
»Ja, eine weiße Frau. Philip lernte sie kennen, als er in Shreveport am College arbeitete. Sie war dort als Sekretärin tätig. Sobald sie herausfand, dass Philips Vater Geld besaß, ging sie mit ihm ins Bett. Und danach... tja... dieser Versuchung kann man nicht widerstehen.«
»Philips Vater hatte Geld?«
»Für einen Schwarzen verfügte Ezekial sogar über ziemlich viel Geld. Er war damals als Lastwagenfahrer für Coca-Cola in Atlanta tätig. Und jeden Cent, den er verdiente, steckte er in Coca-Cola-Aktien.«
»Das war sehr vorausschauend.«
»Ja, aber die Idee stammte nicht von Ezekial. Er investierte nur deshalb in Aktien, weil er ein weißes Mädchen beeindrucken wollte, das er mochte. Wissen Sie, ihr Bruder... der kaufte Aktien. Also machte Ezekial es ihm nach. Aber damals war es für einen schwarzen Mann sehr schwer, Aktien zu erwerben. Kein Börsenmakler machte mit Negern Geschäfte. Also übernahm das der weiße Junge für ihn. Er sagte, das würde Ezekial viel Geld einbringen. Während der Depression erwarb er die Aktien für Pfennigbeträge. Er hat sich damit gesund gestoßen.«
»Ein Weißer kaufte Aktien für Ezekial und ließ sie auf dessen
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