Der Väter Fluch
eine wegwerfende Handbewegung. »Soll sie doch mithören.« Sie setzte sich wieder auf ihren Stuhl, stieß sich dann aber leicht vom Schreibtisch ab und rollte einen halben Meter nach hinten. »Weißt du was, Pete? Nachdem ich Georges Geschichte gehört habe, tut mir Holt fast ein bisschen Leid.«
»Auch wenn er ein Massenmörder ist?«
»Ja... obwohl... vielleicht auch nicht.«
»Wenn die Geschichte überhaupt stimmt«, meinte Decker.
Oliver blickte überrascht hoch. »Hattest du nicht gesagt, der alte Mann machte einen ehrlichen Eindruck?«
»Richtig«, erwiderte Decker. »Ich frag mich nur, ob er nicht ein wenig übertrieben hat. Um etwas Mitgefühl zu wecken, weil er weiß, dass Holt in echten Schwierigkeiten steckt.«
»Scheint mir nicht allzu kompliziert zu sein, Georges Geschichte zu überprüfen«, sagte Oliver.
»Wie denn?«, fragte Decker. »Die Mutter ist angeblich tot. Und wer weiß schon, was mit dem Kind passiert ist?« Er rieb sich die Stirn, spürte, wie sich eine Kopfschmerzattacke ankündigte. »Ich denke, wir sollten uns zunächst mal darauf konzentrieren, Holt zu finden.«
»Ich hoffe sehr, dass wir richtig liegen... damit, dass Holt und Moke ein und dieselbe Person sind. Falls nicht, stehen wir ziemlich dumm da«, sagte Marge.
»Diese Briefe, die du von Karl bekommen hast. Bist du sicher, dass sie echt sind?«, fragte Oliver.
»Warum sollten sie das nicht sein?«, erwiderte Decker.
»Das Ganze könnte eine falsche Spur sein«, erklärte Oliver. »Vielleicht war Karl der Täter und hängt jetzt Ruby Ranger die Geschichte an.«
Decker reagierte verärgert. »Erstens hat Karl Ruby gehasst. Zweitens: Warum sollte er seinen Bruder umbringen?«
Oliver zuckte die Achseln. »Okay. Vielleicht weiß er ja wirklich nicht, wer seinen Bruder getötet hat, aber er hängt Ruby was an, weil er sie hasst.«
Decker wich aus. »Der Junge ist kein Machiavelli.«
»Was ist mit Ernesto?«, fragte Marge. »War er vielleicht an diesen krummen Geschäften beteiligt?«
»Ich bin mir nicht sicher«, antwortete Decker. »Sämtliche von Rubys Briefen enthielten versteckte Drohungen oder Schlimmeres. Es wäre möglich, dass Ernesto sich eines Besseren besonnen hat und daran dachte, die ganze Geschichte auffliegen zu lassen. Und das war dann sein Todesurteil.«
»Dieser Jugendliche, der eine Synagoge zerstört und mit Hakenkreuzen beschmiert, soll also einen plötzlichen Sinneswandel durchgemacht haben?«, fragte Marge zweifelnd.
»Ich hab ein paar Mal mit Ernesto gesprochen«, sagte Decker. »Er fühlte sich wirklich ziemlich mies wegen dieses Vorfalls. Und das in Kombination mit Rubys Warnungen, nichts zu tun, was er vielleicht bereuen könnte.« Decker dachte laut über verschiedene Möglichkeiten nach. »Vielleicht war das der Grund, warum er um drei Uhr morgens mit Merv Baldwin in dessen Zelt gesprochen hat. Vielleicht wollte er ihm mitteilen, was es mit den Aktivitäten seiner Frau auf sich hatte...«
»Oder er drohte, zur Polizei zu gehen, falls Merv ihm kein Schweigegeld zahlte«, platzte Oliver heraus.
»Und deswegen hat Holt sie alle umgelegt?« Marge verzog das Gesicht.
»Warum nicht?«, erwiderte Oliver. »Sie waren alle eine Bedrohung für ihn. Sie wussten von Holts krummen Dingen.«
»Das würde aber bedeuten, dass auch Ruby Ranger eine Bedrohung darstellt«, merkte Marge an.
»Es sei denn, sie steckt mit drin«, meinte Decker.
»Also, wie haben Holt und Ruby Ranger sich kennen gelernt?«
»Sie waren beide zur gleichen Zeit in Berkeley«, sagte Decker.
Oliver rieb sich das Kinn. »Holt ist älter als sie, oder?«
»Zwei Jahre«, erwiderte Decker.
»Darrell ist seit vier Jahren in L. A. Das bedeutet, dass sie nur ein Jahr gemeinsam dort studiert haben.«
»Vielleicht haben sie sich ja auch hier irgendwo kennen gelernt«, warf Marge ein. »Hat dein Sohn nicht erzählt, dass Ruby sich für Nazis oder faschistische Gruppierungen interessiert?«
»Sie hat solche Bemerkungen fallen lassen, wie Hitler sei ein Held oder so was Ähnliches. Ich kann mich nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern. Wäre gut möglich, dass sie mal mit den Ideen der HVR geflirtet hat.«
Oliver mischte sich wieder ein. »Genau das versteh ich nicht. Wie kann Holt der Sprecher einer Gruppierung sein, die im Grunde die angebliche Überlegenheit der weißen Rasse propagiert, wenn er selbst zum Teil schwarz ist?«
»Holt hasste seinen schwarzen Vater, weil Daddy seine Mutter und seinen Bruder fortgejagt hat.
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