Der Väter Fluch
einen Schluck von ihrem Drink. »Er war Rubys Spielzeug des Monats. Sie hat ihn wahrscheinlich ausgenutzt. Aber Leute ausnutzen ist etwas anderes als... ist etwas ganz anderes als... sie würde nie...« Aber Alice klang nicht sehr überzeugt. »Sie würde so etwas niemals tun!«
»Sie meinen, jemanden umbringen?«, ergänzte Webster.
Alice verzog das Gesicht. »Meine Tochter ist keine Mörderin!«
Offensichtlich wollte diese Frau nichts auf ihren eigenen Nachwuchs kommen lassen, auch wenn sie noch so sehr behauptete, dass er ihr egal sei.
Martinez sagte mit sanfter Stimme: »Sie haben alles versucht.«
»Allerdings«, stimmte Alice ihm zu. »Ich habe wirklich mein Bestes versucht. Aber mein Bestes war offensichtlich nicht gut genug. Ich hab es einfach nicht geschafft.«
»Haben Sie eine Idee, wo sie sich aufhalten könnte?«
»Nein, aber wenn Sie sie finden, sagen Sie ihr, dass sie mir noch Geld für das Entrümpeln ihrer Sachen schuldet.«
Webster dachte kurz nach und meinte dann: »Mrs. Ranger, haben Sie zufällig noch eine alte Telefonrechnung aus der Zeit, in der Ruby noch zu Hause wohnte?«
»Möglicherweise.«
Eine lange Pause.
»Könnten Sie sie für uns heraussuchen?«
»Was, jetzt?«
»Ja, jetzt«, antwortete Martinez. »Das kann eine Weile dauern.«
»Macht nichts. Wir haben Zeit.«
Alice starrte in ihr Glas. »Sie steckt wirklich in Schwierigkeiten, oder?« Wieder eine lange Pause. Dann flüsterte sie: »Ist sie in Gefahr?«
Martinez zuckte mit den Achseln, gab aber keine Antwort. Alice spürte, wie sie zu zittern begann. Es war immer das Unausgesprochene, das ihr wirklich Angst machte.
31
Das Haus lag an einer Bergflanke. Es war eines dieser Gebäude, die gefährlich nahe am Rand eines Steilhangs balancierten - zwar von Betonpfeilern gestützt, aber gebaut von einem jener Optimisten, die das Auftreten von Erdbeben in Südkalifornien hartnäckig ignorierten. Da es bereits dunkel war, ließ sich die Farbe der Fassade nur schwer bestimmen, aber das Haus schien irgendwie hellbraun und weiß verputzt und mit weißen Stuckelementen verziert zu sein. Auf Grund der Hanglage blieben die tragenden Elemente des zweigeschossigen Hauses zum größten Teil unsichtbar, weil sie wahrscheinlich tief in den Fels gegraben und dort verankert waren. Der Charme dieser Gebäude ging weit über das bloße Spiel mit der Gefahr hinaus: Die meisten besaßen eine sensationelle Aussicht auf die grünen Canons und die glitzernden Lichter der Stadt in der Ferne.
Da das Haus von einem Metallgitter umgeben war, musste Decker klingeln, um hineinzugelangen. Ihm kam plötzlich der Gedanke, dass es den Überraschungseffekt beeinträchtigen würde, wenn er sich als Detective zu erkennen gab. Er blickte sich kurz um. Hinter dem Gitter sah er eine kurze asphaltierte Auffahrt, auf der ein schwarzer Mercedes stand. Vor der Umzäunung, am Rand der kurvenreichen Straße, waren ein Geländewagen und ein drei Jahre alter Mustang geparkt.
Decker klingelte. Eine Frauenstimme quäkte ihn durch die Gegensprechanlage an. »Ja?«
»Gehört Ihnen der orangefarbene Mustang, der hier draußen auf der Straße steht?«
»Wer ist denn da?«
»Wir sind dabei, ihn abzuschleppen. Er hat vier unbezahlte Strafzettel.«
»Was? Warten Sie! Justin! Komm sofort her! Da draußen ist ein Mann...«
»Ich werd den Wagen jetzt an den Haken nehmen.«
»Warten Sie doch!«
»Geht nicht«, sagte Decker. »Ich muss meinen Job machen.«
»Das muss ein Irrtum...«
»Kein Irrtum. Einige der Strafzettel sind über ein Jahr alt.«
»Warten Sie! Schleppen Sie den Wagen nicht ab. Warten Sie noch einen Moment!« Dann schrie sie: »Justin! Komm sofort her!«
Decker reagierte absichtlich nicht. Einen Augenblick später ging langsam das Tor auf. Licht ergoss sich aus der Haustür, und eine Frau kam herausgelaufen. »Hören Sie mal! Wer sind Sie überhaupt?«
Sie war so dünn wie eine Bohnenstange und wirkte energisch -spitze Nase, hohle Wangen, kräftiges Kinn und eine glänzende helle Stirn mit glatten schwarzen Haaren, die nach hinten gekämmt und mit Haarspray fixiert waren.
»Was glauben Sie eigentlich, was Sie hier...« Keuchend blickte sie sich um. »Ich seh gar keinen Abschleppwagen.«
Decker zog seine Dienstmarke hervor und zeigte sie ihr. »Das liegt daran, dass hier auch kein Abschleppwagen steht. Ich leite die Ermittlungen im Mordfall Baldwin. Und ich wette, Sie wissen, warum ich hier bin, Mrs. Frammel.«
Panik in den Augen, wanderte ihr Blick
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