Der Väter Fluch
seinem ganzen Gewicht gegen die massive Holztür, sodass sie weit aufflog.
Als er den Raum betrat, konnte er zwar aufrecht stehen, aber an manchen Stellen streifte die Decke sein Haar, sodass der Raum nicht mehr als zwei Meter hoch sein konnte.
Decker nahm deshalb an, dass Mr. Frammel relativ klein sein musste.
Der Raum als solcher war recht geräumig - fast zwanzig Quadratmeter -, und man hatte den Boden mit Korkplatten ausgelegt. Aber die Wände waren aus dem Felsgestein herausgehauen worden, was dem Raum etwas Höhlenartiges gab. Lediglich die vierte Wand bestand aus einer riesigen Glasscheibe, und im vorderen Bereich war der Raum so konstruiert, dass man den Eindruck hatte, der Boden sacke unter den Füßen weg, was Decker ein Gefühl des Schwebens oder Fallens vermittelte - irritierend, aber originell, so viel musste er Mr. Frammel lassen.
Die Höhle enthielt ein Bett, einen Fernseher sowie einen Schreibtisch mit Computer, Modem, Telefon und Faxgerät. In dem darüber angebrachten Regal standen neben zahlreichen Videokassetten auch ein paar Bücher, von denen sich fast alle mit wahren Verbrechen beschäftigten. Grässliche Geschichten. Decker konnte sich an den einen oder anderen Fall erinnern. Er fragte sich, ob Mr. Frammel vielleicht irgendwo Peitschen und Ketten versteckt hielt.
Erin hatte sich inzwischen hinter einer Tür eingeschlossen -wahrscheinlich das Badezimmer.
Decker stellte die plärrende Stereoanlage ab. »Komm schon raus, Erin. Ich bin hier, weil ich dir helfen will.«
»Sie gehören doch auch zu denen. Verschwinden Sie!«
»Zu wem?«
»Dieser weltweiten Allianz - der neuen Weltordnung.«
»Ich gehöre zu niemandem.« Erin schwieg.
Decker dachte einen Moment nach. »Okay. Wenn du dich hinter der Tür sicherer fühlst kein Problem. Beantworte einfach meine Fragen, okay?«
Sekunden verstrichen, schließlich war eine ganze Minute vergangen, bis sie endlich reagierte.
»Tante Doreen?« Die Stimme hinter der Tür klang kleinlaut.
»Ja? Ich bin hier.«
»Tut mir Leid.«
»Ist schon okay, Schätzchen. Komm, mach bitte auf. Er...« Mit saurer Miene warf sie einen Blick auf Decker. »Ich glaube, er ist wirklich hier, um dir zu helfen.«
»Sie glauben?«, flüsterte Decker.
Sie fauchte zurück: »Ich weiß doch überhaupt nicht, wer Sie sind.«
»Tante Doreen?«, jammerte Erin hinter der Tür. »Ja, Erin. Was ist denn? Komm raus, okay?« Die Frau wurde langsam ungeduldig.
Decker wandte sich erneut an sie und flüsterte: »Vielleicht sollten Sie Ihren Mann oder Ihre Schwester anrufen.«
»Und Erin hier mit Ihnen allein lassen?«
Decker ging einen Schritt nach vorn, bis er fast Brust an Brust mit Doreen stand. »Glauben Sie im Ernst, Sie könnten sie vor mir beschützen?«
Sie schluckte.
Decker ging wieder einen Schritt zurück. »Hören Sie, ich bin einer von den Guten. Wenn Sie mir nicht glauben, rufen Sie doch einfach die Polizei an.«
Die Frau zögerte.
»Tante Doreen?«
»Was ist, Erin?«
»Meinst du, es ist okay?«
Ein Seufzer. »Ja, Süße, ich meine, es ist okay. Ich glaube, es ist Zeit, dass wir mit der Polizei sprechen.«
Einige Sekunden vergingen... dann öffnete sich langsam die Tür.
32
Das Mädchen war ein Strich in der Landschaft: dürre Ärmchen und Beinchen und fast kein Körper. Sie hatte lange, braune Haare, die dünn und stumpf herunterhingen, und große braune Augen über schmalen, zusammengepressten Lippen. Ihre Nase war gerötet und triefte. Mit spillerigen Fingern wischte sie Tränen und Rotz weg.
»Sie ist furchtbar erkältet«, erklärte Doreen.
»Bitte, gehen Sie nach oben, Mrs. Frammel«, sagte Decker mit Nachdruck in der Stimme. »Wir kommen schon allein zurecht.«
Doreen warf Erin einen Blick zu. Das Mädchen nickte.
»Ich lass die Tür offen«, verkündete Doreen schließlich. »Ruf mich, wenn du was brauchst.« Dann machte sie sich an den Aufstieg ins Erdgeschoss. Decker wartete, bis ihre Schritte verhallten. Dann nahm er auf dem Rand des Betts Platz. Erin saß in der gegenüberliegenden Ecke, die Beine unter ihren ausgezehrten Körper geschlagen, den Kopf gegen ein paar Kissen in ihrem Rücken gelehnt.
Decker holte sein Notizbuch und ein kleines Diktiergerät hervor. »Macht es dir etwas aus...?« Sie schüttelte den Kopf.
»Du musst bitte laut antworten, Erin. Das Gerät kann keine Kopfbewegungen registrieren.«
»Sie können das Gespräch ruhig aufzeichnen. Es ist mir egal.«
»Gut.« Decker stellte die Lautstärke ein und legte das
Weitere Kostenlose Bücher